Grotesker Furor
Gogols Novelle von 1836 ist eine bittere Satire auf die brutalen Zustände im zaristischen Russland; Schostakowitsch thematisierte 1929 nicht nur aktuelle Tendenzen modernen Musiktheaters, sondern auch politisches Alltagsverhalten - und geriet in die Mühlen des Stalinismus. Johannes Schaaf (und Wolfgang Willaschek als Dramaturg) verweist auf diese Quellen - u.a. der ordenbeladene Oberst, Frau Timoschenko mit ihrem Zopfkranz - um einen grotesken Furor zeitgenössischen Alltagslebens vorzuführen: zum einen wird Kowaljoff nach Wiederauftauchen seiner verlorenen Nase zum alten Schwerenöter; ansonsten wird eine endlose Folge satirischer Verhaltensbeobachtungen in hinreißenden Szenen präsentiert - das Banale wird zum Ereignis, allerdings ohne "tragische" Überhöhung und schon gar nicht mit gesellschaftspolitischer Relevanz. Ein prima Zwei-Stunden-Spaß!
Hans Dieter Schaals Bühne sprüht vor Ideen, die immer wieder neue Perspektiven vermitteln, mit Klischees spielen, wunderbar chaotische Situationen schaffen und vielfältig-skurile Assotiationen evozieren.
Stefan Soltesz fordert die Essener Philharmoniker zu einem Feuerwerk musikalischer Eruptionen: Schostakowitsch spielt mit den Traditionen, zitiert diverse Musikstile, verlangt von den Instrumenten-Solisten höchste Brillanz - und das gerät zu einem Festival frechen musikalischen Lust-Erlebens.
Es sind 38 (!) Rollen zu besetzen; die Ensemble-Mitglieder gehen damit lustvoll spielend und singend-karikierend um (auch um den Preis mutiger Selbstverleugnung); der Chor beweist seine Fähigkeit zu virtuos-individuellem Spiel - und Wolfgang Koch gelingt ein differenziert-ambivalentes Rollen- und Stimmporträt des Anti-Helden Kowaljoff.
Wer im Publikum eine bitterböse Satire erwartet hatte, lässt sich rasch auf die groteske Realität des Banalen ein und folgt mit Lust dem spektakulären Geschehen. Jubelnder Beifall am Schluss. (frs)
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