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Trauer
Es ist eine "Kreation": Gerard Mortier kreiert mit der Ruhrtriennale eine
neue Gattung des Musiktheaters: Orchesterklang, Chorgesang, Soli, vorgetragene
Texte, sparsam-pointiertes Ambiente, szenisches Mysterium ergeben ein
faszinierendes Neues.
Im technisch aufgerüsteten sakralen Raum der Essener Kreuzeskirche (am
hochurbanen Weberplatz!) hat die Kreation "Melancholia" das geheimnisvoll-intensive
Umfeld; mit Robert Burtons barock-wissenschaftlich irritierenden Erklärungen
gibt es nachdenkenswerte Texte, wahrhaft zelebriert vom grandiosen Graham
F. Valentine in brillant-karikierendem (Alt-)Englisch, durchsetzt mit
genussvoll prononcierten deutschsprachigen Passagen; auf des Professors
skurrile Vorlesung reagiert eine aufgeräumte Studentenschar: der Balthasar-Neumann-Chor
agiert hinreißend situationskomisch, die sängerisch begnadeten Solisten
des Chors singen lyrische Texte der englischen Goldenen Epoche von Dowland,
Purcell, Morley, auch von Händel: zu Herzen gehende Lamenti, Opernarien,
Gesänge melancholischer Liebe; begleitet vom ultimativ-perfekten Balthasar-Neumann-Ensemble:
25 hochsensible Musiker, Virtuosen barocker Musikinterpretation. Thomas
Hengelbrock arrangiert das halbszenische Geschehen, hat den Chor vorzüglich
auf das Spiel des Ensembles eingestellt - vermittelt die Essenz melancholischer
Liebe in ergreifende Manier.
Das Publikum ist von dieser geballten Ladung szenischer, wissenschaftlicher,
sängerischer, musikalischer Melancholie-Reflexion verzaubert, erlebt das
Gefühl von Trauer ungemein nachvollziehbar - und dankt mit stehenden Ovationen.
(frs) |
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