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Fakten zur Aufführung 

MANON LESCAUT
(Giacomo Puccini)
8. März 2005
(Premiere: 5.3.05)

Aalto-Theater Essen

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Aus der Bahn

Es geht um leidende Individuen, die keine Bahn gefunden haben, aber letztendlich von der unbarmherzigen Kälte der ebenso bahnlosen Kontrahenten und der „Umstände“ vernichtet werden. Opernhaft konzentriert verdichtet der junge Regisseur Roman Hovenbitzer das Geschehen; es gelingen vor allem in der Schlussszene ungemein bewegende Bilder übergroßer Trauer. Die bezwingenden Stärken liegen in den zwischenmenschlichen Extremsituationen, die Ensembleszenen verweisen auf künftige Möglichkeiten des Regisseurs!

Ähnliches gilt für die geplant-kommunizierende Bühne Dieter Richters: der Kern des zwischenmenschlichen Dramas findet starken Ausdruck (die enge Straße als Weg in die Verzweiflung), doch wird die Bar als erster Begegnungsort der kommenden Tragödie in ihrer konnotationslosen Trivialität kaum gerecht.

Karine Babajanian ist eine Manon, der vom ersten mädchenhaft-selbstbewussten ersten Auftauchen bis zum elenden Tod diesen tragisch-konfliktreichen Leidensweg bewegend darstellt – stimmlich von einer extremen Ausdrucksstärke, die in verzweifelten Zwischentönen und jubelnden (pseudo-)fröhlichen Höhen an die großen Aufnahmen der Callas heranreicht. Dagegen hat es Mikhail Davidoff – auch wohl unzureichend eingesungen – mit seinen Mitteln von Kraft und Lautstärke schwer; sein Tenor gewinnt erst zum Schluss emotionale Stimulanz. Beeindruckend die stimmliche Präsenz der Essener „Alt-Stars“ Karoly Szilagyi und Marcel Rosca, erwartungsgerecht die comprimari.

Stefan Soltesz gelingt mit den ungemein präzis-sensiblen Essener Philharmonikern eine möglicherweise epochemachende Interpretation eines hochdifferenzierten Puccini-Klangs: voller Sentiment und Empathie, aber dabei ohne süßliche Vermischungen, stattdessen schon zu Beginn – Soltesz gelingen diese überrumpelnden Effekte – die kontrastreichen Zwischentöne, die Fokussierung auf Puccinis Willen zur Realisierung „neuer Töne“. Ein Kosmos differenzierter Brüche und leidenschaftlicher Intensitäten lassen bislang ungehörte Tiefen musikalischer Kommunikation erleben.

Das Essener Repertoire-Publikum ist am Ende tatsächlich emotional betroffen; doch dauert es viel Zeit, bis die gebotene volle Konzentration auf das Musik- und Bühnendrama auch bei den letzten Murmel-Kommentatoren, Täschchen-wühlenden Damen, flüsternden Plaudertaschen und ignoranten Konventionalisten angekommen ist. (frs)


Fotos: © Matthias Jung