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EIN ENGEL IM PANOPTIKUM
Ein absolut ungewöhnlich spielsicheres
und stimmkompetentes Ensemble lassen Essens "Luisa Miller" zu einem Opernfest
ersten Ranges werden. Die toscahafte Elena Mosuc beeindruckt mit der emotionalen
Intensität ihres expressiven Soprans, einem hochkultivierten Legato und
einem einschmeichelnden Timbre. Mikhail Dawidoff gibt einen pur-liebenden
Rodolfo: ein hinreißender Spinto-Tenor mit Durchschlagskraft und viel
Italianita. Spitze Almas Svilpa als paranoischer Intrigant Wurm und geradezu
sensationell Marcel Rosca und Karoly Szilagy als die beiden manisch selbstsüchtigen
Väter.
Stefan Soltesz leitet die Essener Philharmoniker wie gewohnt hoch engagiert
mit enormem Tempogefühl im Interesse der Sänger. Er beweist die musikalische
Qualität dieses wenig gespielten stilbildenden Werks zwischen den Risorgeomento-Opern
und den großen Erfolgen Rigoletto und Traviata.
Dieter Richter baute für Dietrich Hilsdorfs revolutionsaggressive Inszenierung
ein adäquates Bühnenbild: intimes Arme-Leute-Verließ in riesiger industrieller
Schlachthalle.
Luisa bewegt sich nach Hilsdorf - Schiller hin, Verdi her - sowohl im
Feld absolutistischer Gewalt als auch in einem Panoptikum intriganter,
neurotischer und egomaner Kretins. Das wird optisch und darstellerisch
mit Betonung extensiver Körperlichkeit plakativ umgesetzt - erreicht mit
seinen Verweisen auf klassische Filmtechniken aber nicht die Tiefenschichten
menschlichen Miterlebens. Der Auftritt einer vierspännigen Pferdekutsche
ist spektakulär - wann sah man jemals vier lebende Pferde auf einer Bühne?!
Das Publikum im regelmäßig ausverkauften Essener Haus reagiert enthusiastisch,
gar mit standing ovations; ein Fest auch für Novizen im neu entdeckten
Opern-Kult. (frs)
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