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Fakten zur Aufführung 

FÜRST IGOR
(Alexander Borodin)
31. Januar 2009 (Premiere)

Aalto-Theater Essen


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Ein Vierteljahrhundert hat Alexander Borodin an seiner einzigen Oper gearbeitet, doch fertig wurde „Fürst Igor“ nie. Erst Nikolai Rimskij-Korssakow und Alexander Glasunow vollendeten die Partitur, zu der Borodin höchstpersönlich das Libretto beisteuerte. Er hätte es lassen und stattdessen lieber einen professionellen Textdichter engagieren sollen. Denn Borodins Libretto ist problematisch, weil dürftig, ja geradezu ärmlich an dramaturgischem Potenzial. Schon allein deshalb konnte die Neuinszenierung am Essener Aalto-Theater dem Bühnenwerk kaum aufhelfen.

Was da an Handlung passiert, lässt sich im Grunde ganz schnell erzählen. Doch Borodin braucht dazu zweieinhalb Stunden Musik - lange Stunden, die nicht immer gesegnet sind von großem Einfallsreichtum. Im Gegenteil: Borodin walzt gleiche Motive und musikalische Gedanken immer und immer wieder neu aus. Das ist wenig fesselnd, zumal Glasunow und Rimskij-Korssakow dem Orchesterapparat von durchaus stattlicher Größe ein erstaunlich geringes Maß an unterschiedlichen Farben abverlangen. Über viele Strecken dümpelt und plätschert es im Orchestergraben. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Originell wird Borodin, wo er Orientalismen erfindet, um die völlig andere Welt jenseits der russischen zu beschreiben: die Welt der Polowzer, in der Fürst Igor und sein Sohn nach verlorener Schlacht gefangen gehalten werden. Alexander Orlov, Bühnenbildner der Essener Inszenierung, trumpft da mit zwei gigantischen Kamelen auf, lässt bunt und folkloristisch gekleidete Mädchen durch die Lüfte tanzen. Das ist alles hübsch anzusehen. Was nervt, sind vor allem die großen Einzelszenen, die nicht vom Fleck kommen wollen. Igor beklagt in der Fremde sein Schicksal, Jaroslawna, seine Frau, beklagt es herzzerreißend in ihrer Heimat. Und Igors Sohn, der sich zwischenzeitlich in die Tochter des feindlichen Machthabers verliebt hat und sie sich in ihn, ist hin- und hergerissen: „Bist Du mein? Ja, ich bin Dein! Willst Du wirklich gehen? Ja, ich muss gehen!“ – mit derartigen Dialogen ist wahrlich keine große Oper zu machen. Da hilft auch kein komödiantisches Paar wie die beiden Clowns in Bärenpelz und Kuhfell-Optik.

Rustikal zur Sache geht es allerdings, als Galitzki den Krieg führenden Fürsten Igor vertritt. Da fließt der Schampus in Strömen, da ist den ganzen Tag lang Party.

Der Lette Andrejs Žagars hat in Essen Regie geführt. Es ist nach dem Werther, der im Dezember 2008 in Erfurt Premiere feierte, erst seine zweite Produktion in einem deutschen Theater. Žagars schafft es, Borodins Tableaus üppig, aber höchst konventionell zu bebildern, die Figuren bleiben ohne erkennbare Personenführung holzschnittartig.

Gesungen wird, wie es sich im Aalto-Theater gehört: auf hohem Niveau. Almas Svilpa beglaubigt mit seiner zupackenden Darstellung die Nöte des Titelhelden. Die Färbung seines Basses ist geradezu ideal für diese Rolle. Danielle Halbwachs ist Igors Gattin mit ausgeprägt dargestellten Emotionen. Rainer Maria Röhr gibt mit gewohnt intensivem und intonationssicherem Tenor Kunde von der Zerrissenheit seiner Gefühle: einerseits ruft ihn die Pflicht, in die Heimat zurückzukehren – andererseits schlägt sein Herz für Kontschakowna, die Tochter dessen, der das väterliche Heer vernichtend geschlagen hat. Ieva Prudnikovaite ist diese Tochter – und singt und spielt mit Hingabe. Heiko Trinsinger fühlt sich pudelwohl in der Rolle des feiersüchtigen Galitzki, der genauso froh ist wie alle übrigen Männer aus Putiwl, dass der „Chef“ weit weg ist.

Marcel Rosca, Aalto-Urgestein von der ersten Stunde an, macht aus dem Khan Kontschak, dem Oberhaupt der angegriffenen Polowzer, eine Art Bassa Selim, der seine Gefangenen nicht schäbig, sondern wie Gäste behandelt. Und er singt wie ein Osmin: tief und dunkel!

Es sind schließlich wieder einmal die Chöre des Aalto-Theaters, die Grandioses leisten. Noam Zur am Pult der Essener Philharmoniker bietet all den Bühnenaktionen ein solides, verlässliches Fundament.

Christoph Schulte im Walde

 










 
Fotos: Jörg Landsberg