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Fakten zur Aufführung 

HERCULES
(Georg Friedrich Händel)
4. Dezember 2010 (Premiere)

Aalto-Theater Essen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Tödliches Drama

Freudig ist der Tag, an dem Herkules nach Hause zurückkehrt. Zu Ende ist sein Feldzug gegen die Feinde, die er geschlagen hat. Als Beute führt er Iole mit sich, die Tochter seines Rivalen. Doch es ist auch der letzte Tag im Leben des Herkules – er wird sterben durch die Hand seiner eifersüchtigen Frau, die ihn mit einem vermeintlichen Liebeszauber unbeabsichtigt vergiftet.

Dies das Ende von Georg Friedrich Händels - von ihm selbst so genannten - „musikalischem Drama“ aus dem Jahr 1745. Es entspinnt sich eine Geschichte über Liebe, über Eifersucht, über Misstrauen, also alles, was menschliche Beziehungen ausmacht.

Dieter Richter baut eine Kulisse in Form einer heruntergekommenen Palasthalle mit einem provisorischen Nachtlager.

Dietrich Hilsdorf führt Regie, nutzt Händels Chöre wie immer virtuos, um Bewegung auf die Bühne zu bringen. Er vernetzt das mythologische Geschehen mit der Barockzeit. Herkules’ Triumphzug endet in der Versteigerung muslimischer Sklaven auf einem opulenten Hoffest. Der Held verschmilzt so mit einem barocken Fürsten. Hilsdorf forscht der Psychologie der Figuren nach, schaut in deren Innenleben, bespiegelt Beziehungen: die gnadenlose Eifersucht von Herkules’ Frau Dejanira auf die schöne Iole, in die sich ihr Sohn Hyllus verliebt.

Fantasievoll sind Renate Schmitzers grandiosen Kostüme: bis ins Kleinste ist der Chor als barocker Hofstaat ausstaffiert - ein Fest für die Augen. Das gilt selbst für das unglaublich schillernde Todesgewand des Herkules.

Und doch wurde der vom Publikum heftig bejubelte Premierenabend ein wenig lang. Schlicht deshalb, weil das Geschehen in Herkules nur schwer in packendes Bühnengeschehen zu übersetzen ist. Denn dramatisch wird es hier erst ganz am Ende bei des Herrschers Todeskampf im vergifteten Gewand: Herkules macht qualvolle Stunden durch und sehnt sich nach Erlösung auf dem Scheiterhaufen. So kommt es denn auch. Lodernde Flammen im Theater, große, aufgepeitschte Emotionen.

Herkules ist weder ein echtes Oratorium noch wirklich eine Oper – gewiss aber durch und durch grandiose Musik. Fast drei Stunden lang eine schöne Arie nach der anderen. Und fulminante Chöre, die der Aalto-Chor unter Alexander Eberle stimmgewaltig interpretierte – allerdings nicht immer mit der gewohnten Akkuratesse.

Jos van Veldhoven hatte die Essener Philharmoniker so weit wie möglich auf Barockklang getrimmt: Verzicht auf Vibrato, schlanke Tongebung, absolute Transparenz. Das war wirklich aller Ehren wert, was aus dem Graben tönte – besonders die hoch konzentrierte Continuo-Gruppe wusste zu überzeugen.

Prächtig gesungen wurde vor allem von Christina Clark, deren leichter, wendiger Sopran mühelos den Koloraturen gewachsen ist. Fein und delikat beglaubigte sie die Angst der gefangenen Prinzessin Iole.

Mit den beträchtlichen Anforderungen an die Partie der Dejanira hatte Michaela Selinger nirgends Probleme. Sie muss ein enormes Pensum absolvieren, steht beinahe ständig auf der Bühne. Ihre Stimme ist dafür bestens gerüstet, lediglich die Biegsamkeit bleibt da ein wenig auf der Strecke.

Almas Svilpa ist ein Herkules mit kernigem Bass, absolut intonationssicher, geradeaus singend; Marie-Helen Joël ein überzeugender Bote Lichas, der vom grauenvollen Tode des Helden Kunde gibt. Andreas Hermann als Hyllus, der Sohn des Herkules, ist noch nicht ganz angekommen im barocken Repertoire- zu ungelenk klingen seine Koloraturen und auch seine Intonation ist bisweilen nicht rein.

Die einstige Hassliebe des Essener Publikums zu Dietrich Hilsdorf scheint sich mehr und mehr in eine große Love-Story zu verwandeln. Jedenfalls wurde der Meister, der sich wie immer ein wenig divenhaft zierte, vom Auditorium mit Zustimmung geradezu überschüttet, als er sich endlich zeigte.

Christoph Schulte im Walde

 













 
Fotos: Thilo Beu