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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
10. September 2010 (Premiere)

Aalto-Theater Essen


Points of Honor                      

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Weißt Du, was der meint?

Die Erwartungen waren groß: wie würde Barrie Kosky den Essener Ring des Nibelungen vollenden? Dem Australier oblag die Aufgabe, als letztem von vier verschiedenen Regisseuren, am Aalto-Theater die Götterdämmerung zu inszenieren. Das Fazit nach der Premiere fällt etwas enttäuschend aus. Denn der große Wurf war es nicht, der da in fünfeinhalb Stunden auf der Bühne zu erleben war. Der Rote Faden fehlte, ein schlüssiges Konzept, das Koskys zahllose einzelnen Ideen und Gedankenanstöße zu einem nachvollziehbaren großen Ganzen hätte werden lassen.
Am ehesten noch kommen die Begriffe Heimatlosigkeit und Entwurzelung in den Sinn, wenn die durch das Fällen der Weltesche heimatlos gewordene Erda aus einem Pappkarton Stühle für ihre Töchter, die Nornen auspackt. Deren Nacherzählung des Gewesenen kommentiert Kosky mit einem Zeichentrickfilm, der mit Monty-Python-Anleihen sehr lustig wirkt. Lustig und originell wirkt noch vieles mehr an diesem Abend. Wie die muntere Jagd im Wald, bei der Siegfried „erlegt“ werden soll und die hier als eine Art Varietè-Veranstaltung daherkommt, in der die Rheintöchter mit ganz putzigen Federpuscheln wackeln – Federpuschel, die Kosky und seine Ausstatter (Bühne: Klaus Grünberg, Kostüme: Klaus Bruns) vor weniger als einem Jahr bereits im Rheingold in Hannover gezeigt haben. Noch etliches anderes mehr wurde von der Leine an die Ruhr exportiert.
Lustig sind auch Gunther und Gutrune, die in einem gediegenen Salon sitzen und feinen Zwirn tragen. Sie spielen mitunter gern mal Haschen und lachen, was das Zeug hält, als Siegfried zu ihnen stößt und sich auf dem Tisch herumlümmelt. Erstaunlich diszipliniert sind die Skinheads in ihren szenetypischen Klamotten, Hagens Mannen, die für ihn streiten.
Kosky gelingen schöne Szenen, wie etwa das Mordkomplott gegen Siegfried auf leerer Bühne. Da kommt ein Hauch von Intensität auf. Viele seiner Tableaus lassen sich aber einfach nicht erschließen, sind womöglich Vorgriff auf das, was demnächst in Hannover zu sehen sein wird (dort führt Kosky ganz allein Regie im gesamten Ring). Rätselhaft, weshalb Alberich zwischendurch die Gestalt eines orthodoxen Juden annimmt und Analverkehr hat mit einem Wotan, der aussieht wie weiland Ludwig Schnorr von Carolsfeld auf der Bühne des Bayreuther Festspielhauses. Und weshalb trifft Waltraute blutüberströmt bei Brünnhilde ein? Fragen über Fragen - ohne dass jemand den Ansatz einer Lösung gäbe.
Dafür erzählen Stefan Soltesz und die Essener Philharmoniker. Sie erzählen voller Dramatik und Spannung, nie polternd oder laut. Streicher und Holz sind edel, Pech allerdings hat am Premierenabend die patzende Hörnerfraktion.
Von den Sängern bekommt Attila Jun für seinen markerschütternd schwarzen Hagen den meisten Applaus. Jun singt fantastisch, mit großer Ausstrahlung und faszinierender Stimme. Heiko Trinsinger wird als Gunther zu Recht gefeiert, Jeffrey Dowd für seinen Siegfried, der nicht unbedingt silbern strahlt, aber flexibel, kernig und durchsetzungsfähig ist. Endlose Energie hat auch Caroline Whisnant für ihre Brünnhilde – nur keine klangvolle, sondern eine gellende und unbehauene Stimme mit viel zu üppigem Vibrato. Ihre hellen Vokale stechen wie die Spitze von Nadeln, zudem hat sie große Schwierigkeiten mit dem deutschen Idiom.
Weitaus sympathischer wirken Francisca Devos als kultivierte Gutrune und Ieva Prudnikovaite als Waltraute, die ihre Erzählung mit ausgeglichenem und herrlich strömendem Mezzo vorträgt. In den kleineren Rollen ergänzen Günter Kiefer (Alberich), Ildiko Szönyi, Katherina Müller und Marie-Helen Joël das Ensemble.
Ganz großartig geschlossen und mit überragender Frische und Sicherheit ließ sich Alexander Eberles Chor vernehmen.
Ganz am Ende ist die Bühne fast leer, nur Erda steht einsam darauf – und auf den beiden Seiten- und der Hinterbühne erscheinen die Requisiten der drei vorangegangenen Ring-Inszenierungen. Schließt sich so ein Ring?
Das Publikum war hinsichtlich der Regie geteilter Meinung: Buhs und Bravi für das Kosky-Team. Einstimmig das Votum für Stefan Soltesz und sein Orchester: der Beifall rauschte.

Christoph Schulte im Walde

 













 
Fotos: © Matthias Jung/www.jungfoto.de