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POSEN
Die Bühne Johannes Leiackers ist eine
politische Landschaft, das archaische Schlachtfeld der Revolution. Wer
noch nicht weiß, was unter "Hypothesen von Realität" zu verstehen sein
kann, erfährt es von Michael Schulz: aus kunstvoller Unordnung entstehen
Tableaus archetypischer Situationen. Das ist ein intellektuelles Vergnügen
- doch fehlt den Posen die innere Spannung; der Furor der Gewalt bleibt
ästhetisches Material und die Probenfotos im Programmheft bestätigen den
Eindruck mit ihrer elegischen Weichzeichnung).
Patrik Ringborg folgt mit den Essener Philharmonikern diesem Konzept "epischer
Oper": klangschön, aufmerksam im Zusammenspiel, aber ohne wirkliche Leidenschaft.
Ebenso bleibt Julian Gavlins Andrea trotz vorzüglichem Timbre und beeindruckend
sicheren tenoralen Höhenflügen in seinen Emotionen eigentümlich unbeteiligt;
Heiko Trinsingers Berard lässt den Zwiespalt von Liebe und Gewalt im Bemühen
um kraftvolle Information verpuffen. Da steht die ausdrucksstarke Karine
Babajanyan mit ihrem intensiven Spiel und ihrem ungemein flexiblen Sopran
allein auf weiter Flut - zumal das übrige Ensemble weder darstellerisch
noch stimmlich Highlights setzen kann (besonders enttäuschend: Rainer
Maria Röhr als zahmer Intrigant), doch scheint das für Essens Ensemble
ungewohnte Defizit dem allzu leidenschaftslosen Regiekonzept geschuldet.
Man erinnert sich dankbar an Heymes "Chenier", eine der letzten Produktionen
im alten Grillo-Theater!
Das Essener Publikum vermisst offenbar den fulminanten drive engagierten
Musiktheaters, verteilt den Applaus in gerechter Phonstärke. (frs)
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