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Fakten zur Aufführung 

IS YOU ME
(Benoît Lachambre, Louise Lecavalier, Laurent Golding, Hahn Rowe/Par B. L.eux)
3. Oktober 2008
(Premiere: 23. Mai 2008, Montreal;
Deutsche EA 2. Oktober 2008, PACT Zollverein, Essen)

RuhrTriennale
PACT Zollverein


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Is you me

Die deutsche Erstaufführung des "Duets für zwei Ausnahmekünstler" im Rahmen der RuhrTriennale im PACT Zollverein

Is you me ist eine Arbeit, die eine selten erreichte Einheit der sie hervorbringenden Elemente erreicht: Wenn es im Programmheft heißt, Is you me sei eine „Kreation“ von Benoît Lachambre, Louise Lecavalier, Laurent Goldring und Hahn Rowe, dann ist es genau richtig beschrieben. Es ist ein Quartett für zwei Tänzer – Benoît Lachambre, Louise Lecavalier – einen visuellen Künstler und einen komponierenden Musiker. Der live agierende Bühnenbildner Laurent Goldring und der live musizierende Komponist Hahn Rowe nehmen entscheidend aktiven Anteil an der „Kreation“ des Abends. Hahn Rowe sorgt mit Laptop, Mischpult, elektronisch verstärkter Geige für den Live-Sound. Laurent Goldring zeichnet auf einem Grafiktableau via Computer live die Szene, die auf den weißen Bühnenhintergrund und auf die stark abgeschrägte, ebenfalls weiße Bühne projiziert wird. Filmeinblendungen, wie eine Autofahrt im Regen oder eine lebhafte Abfolge bloßer Zeichen, ergänzen die Livezeichnung am Rechner.

„Confluence“, das Zusammenfließen, ist der zentrale Faktor in den Arbeiten des kanadischen Tänzers, Choreografen und Bewegungs-Rechercheurs Benoît Lachambre und auch der zentrale Moment von Is you me. Alles reagiert zueinander und gibt doch eine ungemein einheitliche Passung. Lachambre ist für die Choreografie, die jedoch eine längere improvisatorische Genese hat, verantwortlich. Das Bewegungsverhältnis von Benoît Lachambre zu Louise Lecavalier und umgekehrt von ihr zu ihm erscheint fast osmotisch oder symbiotisch. Beide reagieren aufeinander, darauf wie sie den anderen sehen, der wiederum darauf reagiert. Kaum zu sagen, welcher Körper dann der Schatten oder Spiegel des anderen ist – bist du ich? Ihre Staturen und Bewegungsformen haben sich aneinander angenähert, was durch die Kleidung im Kapuzensweater (Kostüme: Lim Seonoc), der die beiden Gesichter auch oft verdeckt – die Figuren also austauschbar macht -, verstärkt wird. In einer Szene setzen sich ihre beiden Körper gar zu einem zusammen. In anderen wirken die Körper wie sich bewegende abstrakte Formen. Louise Lecavalier, ehemals die zentrale Tänzerin von Lalala Human Steps: „Wenn man mit einem Choreografen arbeitet, möchte man die Welt einer anderen Person entdecken. Tatsächlich aber findet man in sich andere Teile von sich. Es gibt viele Ichs im Ich.“ Die Bewegungen erfolgen meist in slow motion, oft im Liegen, manchmal aber auch rasend rasant.

Die charakteristische Pointe der etwa einstündigen Inszenierung ist das Ineinsfallen von körperlicher Bewegung und gezeichnetem, projiziertem Bühnenbild und Video. Das mal farbige, mal schwarz-weiße, mal gegenständliche, mal abstrakte Bühnenbild entsteht simultan zur Bewegung, im Dialog mit den Tänzern, als Antwort, Anregung, zur Eröffnung eines Raums. Selbst die Körper der Tänzer werden eingekreist, ausgemalt, vervielfältigt, in die Flächigkeit der Grafik eingebunden, sodass sie manchmal selbst ganz flächig wirken. Lachambre und Lecavalier erzählen keine Geschichte, bilden nichts ab, ihre Bewegungen sind keine Akte der Repräsentation. Vielmehr ist es ein sich stetig veränderndes Bewegungsbild mit Mitteln der Zeichnung, des Comics, des Films und der beiden Körper der Tänzer. Die spartenübergreifende und diese vereinigende Bilderwelt stößt eine ganz neue und andere Dimension auf, weil sie nie bloßer Hintergrund, sondern ebenbürtiger Bestandteil der Arbeit ist. Is you me überwindet so die Grenze zwischen Bühnenwerk und Performance. Jede Aufführung entsteht so nur einmal, ist ein Unikat. Am Ende: Einhelliger, großer Beifall.

Is you me ist nach I is Memory (2006) die zweite Kooperation von Benoît Lachambre und Louise Lecavalier.

Dirk Ufermann

 









Fotos: RuhrTriennale