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Fakten zur Aufführung 

DER RING DES NIBELUNGEN
(Richard Wagner)
22. bis 24. Juli 2005
("24-Stunden-Ring")

Tiroler Festspiele Erl

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Ultimatives Wagner-Faszinosum

Wie intensiv verzahnt, wie unter einem überwölbenden Handlungsbogen sich eins ins andere fügt: das wird beim faszinierenden „24-Stunden-Ring“ in Erl ultimativ deutlich – eine Wagner-Erfahrung völlig neuer Dimension! Gustav Kuhn arbeitet am „Ring“ seit Jahren, es gelangen 2002 und 2004 zwei bemerkenswerte Zyklen der zwiespältig-innovativen Regiekonzeption. Versatzstücke aus dem platten Alltag, gemixt mit Bildern der Phantasie und angereichert durch skurrilen Humor ergeben das Tableau der daily soap – mit Sex und Crime und spannungssteigernden Cliff-Hängern.

Die chaotisch-ahistorische Dekoration der breiten aber flachen Passionsspielbühne in Erl von Jörg Neumann greift die treffenden Anbieter für das durchgängige Scheitern ungleicher Beziehungen: Freia und Fasolt, Wotan und Brünnhilde, Hunding und Sieglinde, Brünnhilde und Waltraute, Mime und Siegfried, Hagen und Gunther und die vielen anderen kunstvoll konstruierten Konstellationen. Dabei eingestreute Gags – wie das Waldvöglein als Witwe Boltes Suppenhuhn, naiv gebsatelte Gefährte oder die Walküren wie silbrige Jedi-Ritter auf glitzernden Bikes – erhöhen die Augenlust, wecken die Aufmerksamkeit und werden ohnehin aufgehoben in einer unwiderstehlichen Musikauffassung, die absolut nichts mit Mark Twains Ansicht zu tun hat, man müsse den unverständlichen Wagner nur oft genug hören, um ihn akzeptieren zu können.

Das Orchester der Tiroler Festspiele ist als Pyramide auf der Bühne platziert, permanent präsent und durch quasi mitatmendes Licht Teil der Inszenierung. Gustav Kuhn dirigiert mit Verve, voller Tempo, mit erfrischender Transparenz, lässt die Instrumente kommunizieren – und das alles ohne Anzeichen nachlassender Konzentration! Da ist nichts von parfümiertem Klang, aber auch in den expressivsten Crecsendi nichts von donnerndem Getöse: Wagners exorbitante Musik wird zum nachvollziehbaren Erlebnis, zur unübertreffbaren Artikulation menschlicher Leidenschaften. Das eigentlich hypertrophe Experiment des 24-Stunden-Rings kommt zu einem frappierenden Ergebnis: In der schier endlosen Kompaktheit beweist sich die innere Kraft der Wagner-Musik.

Gertrud Ottenthal überragt als Sieglinde

Das phantastische Sänger-Ensemble stammt aus dem Umkreis von Gustav Kuhns Accademia di Montegral; wechselnde Besetzungen verhindern unangemessenen Kräfteverschleiß, lassen Akt für Akt die „24 Stunden von Erl“ mit dem unverbrauchten Elan einer Premiere erleben. Duccio Dal Monte singt mit voluminös-flexiblem Bass den Wotan im Rheingold und in der Walküre sowie den Hagen im 2. und 3. Akt der Götterdämmerung.

Siegmund ist der softe Andrew Brunsdon, Siegfried als Naturbursche der sensationell auftrumpfende Jürgen Müller; Gianluca Zampieris Schluss-Siegfried bleibt – rollentypisch – blasser.

Thomas Gazheli gelingt im Rheingold ein beeindruckender Alberich, steigert sich als Wanderer zu extremen Ausbrüchen voller sensibler Intensität. Elena Comotti D’Adda ist die flotte Brünnhilde in der Walküre und in der Götterdämmerung – prachtvoll ihre Phrasierungen, naive Zuneigung, Enttäuschung und am Ende voll hoffnungsvoller Zuversicht: Bravo!

Gertrud Ottenthals bewegende Sieglinde muss als Höhepunkt der langen Session herausgestellt werden und Xiaoliang Lis Fasolt im Rheingold und Fafner im Siegfried: ein schwarzer Bass mit beeindruckender Nuancierung. Nornen, Walküren, Rheintöchter, die Götter und Göttinnen: allesamt auf exzellenten Niveau. Roy Stevens gelingt ein zynischer Loge par excellence; Christian Brüggemanns Mime täte etwas mehr stimmliche Varianz gut.

Das außerordentlich gut präparierte Publikum in der spartanischen Halle mit der wunderbaren Akustik weiß das Außerordentliche zu würdigen: keine störenden Huster, keine Wasserflaschen-Nuckler, keine Zuspätkommer – ungebrochene Konzentration bei 1500 lustvoll Beteiligten, die bereits zu den Aktschlüssen frenetisch jubeln, am Ende der 24 Stunden den Applaus geradezu orkanartig steigern. Leuchtende Augen voller Begeisterung mit leichten Anzeichen seliger Erschöpfung nach einem wohl unwiederholbaren Ereignis! (frs)


Rheingold


Die Walküre


Siegfried


Götterdämmerung


Fotos: © Rupert Larl