Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
16. Juli 2006 (Premiere)

Tiroler Festspiele
(Passionsfestspielhaus Erl)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Tickets

+43 (0)512 57 8888 10

 

zurück       Leserbrief

Vom Bauernburschen zum Top-Manager

Smart übernimmt Parsifal nach seinem Weg vom tumben Bauernburschen zum gegelten Yuppie und smarten Manager den zusammengebrochenen Laden. Anspielungen an das kommende Hofer-Jahr und Reverenzen an das Passionsspiel geben der Aufklärung regionales Kolorit – verzichten auf den Mythos, setzen vielmehr auf Symbolik: es präsentiert sich eine Gesellschaft mit fragwürdiger Freiheitsfigur, übriggebliebenen Traditionalisten, einem ambivalenten Volk, zur Prozession aufgetretenen Kindern. Dabei allerdings eine Tänzerin als Symbol der immerhin vorhandenen Hoffnung auf „das Reine“. Wer dann bei der Begegnung Parsifal-Kundry an das Paar Grasser-Swarowsky denkt, beweist seine Kenntnis der neuesten österreichischen Skandalgeschichte.

Gustav Kuhns Inszenierung beeindruckt durch intensive Massenszenen (vier Chöre im 1. Akt; drei Dutzend Blumenmädchen; ein riesiges Orchester) und durch wunderbar erhellende Highlights; so wird Parsifals Initiation zu Kundrys Inanguation; Gurnemanz ist ein alter Dorfschulze; Klingsor bewegt sich auf kippeliger Leiter.

Musikalisch fasziniert das Orchester der Tiroler Festspiele durch betörende Weichheit der profunden Streicherklänge und präzis-transparent abgestimmte Instrumentengruppen, auch wenn im 3. Akt bei ungewöhnlichen Temperaturen leichte Konzentrationsschwächen unüberhörbar sind. Innovativ: speziell gefertigte „Glockenplatten“, noch am Vormittag in der Dorfkirche Erl geweiht!

Auf einer fast leeren Bühne vor dem Orchester – massiver Beratungstisch in mitten, Tribüne links, wechselnde Elemente rechts – agiert ein spielfreudiges Ensemble in Hofer-Kostümen und Alltagskleidung (Bühne: Ina Reuter; Kostüme: Lenka Radecky). Thomas Gazheli ist ein bravourös intonierender gescheiterter Amfortas; Michael Kupfer ein markiger Klingsor; Manfred Hemm ein eher betulicher Gurnemanz; und Michael Baba ein eher dunkel getönter Parsifal. Matrina Tomcic gibt der Kundry vor allem in den Höhen dramatische Glut. Das hochkompetente Solisten-Ensemble der Accademia Montegral überzeugt in allen Rollen; die Chöre der Tiroler Festspiele faszinieren durch brausende Kraft und die Wiltener Sängerknaben widerlegen die Skepsis gegenüber singenden Kindern auf der Opernbühne mit einem unbefangen-herzhaftem Auftritt!

Die Tiroler Festspiele sind nach dem 24.Stunden-Ring von 2005 auf dem Weg zum „Welt-Festival“, zu höchster Wertschätzung und zu internationalem Renommee; allerdings auch zu Gefahren der Touristen-Attraktion: Da kommen Leute zu spät; da schnattern Ignoranten in die Schlussakkorde des 3. Akts; da gibt es die hirnrissigen Fotografierer; und da räsonnieren die unvermeidlichen Klugscheißer. Bleibt zu hoffen, dass sich das Publikum selbst diszipliniert. Ansonsten: hoch sympathische Atmosphäre, viel Applaus, Ovationen für den verehrten magischen Bürgerschreck Gustav Kuhn. (frs)


Fotos: © Rupert Larl