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Fakten zur Aufführung 

SCHUMANN - TSCHAIKOWSKY - VOLKSMUSIK
19. Juli 2009

Tiroler Festspiele Erl/
academia vocalis


Points of Honor                      

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Musikalische Kontraste

Die Vielfalt des Musiklebens in Tirol ist exemplarisch an einem Tag zu erleben: Vormittags ein Klassik-Konzert im Passionsspielhaus Erl, abends Kirchtagsmusik und Dreigesang in der Wallfahrtskirche Mariastein – Einblicke in die vielfältigen Programme der Tiroler Festspiele und der anspruchsvollen academia vocalis!

In Erl leitet Gustav Kuhn das lustvoll motivierte Orchester der Tiroler Festspiele zu einem klangtypischen Schumann-Tschaikowsky-Konzert: Schumanns Klavierkonzert in a-Moll wird zum erregenden Hör-Erlebnis, bestätigt den unmittelbaren Zugang Kuhns zu den immanenten Emotionen der Musik, seine beeindruckende Fähigkeit, hochkarätige Instrumentalisten in ihrer Individualität zu präsentieren, aber auch ihren Beitrag zu unaffektiert-musikalischem Orchesterklang zu verbinden. Davide Cabassi brilliert mit virtuoser Technik, viel Sensibilität für die Gefühls-Nuancen der Schumann-Partitur und Integration der Solo-Partie in das orchestrale Gesamt-Kunstwerk.

Tschaikowskys 5. Sinfonie wird zu einer Demonstration musikalischen „Wohlklangs“, einer äußerst distinguierten musikalischen Umsetzung von differenzierend-behutsamen Emotionen in das perfekte Instrumenten-Netzwerk sich ergänzender, kontrastierender und stimulierender Klänge.

Im Zusammenhang der Tiroler Festspiele sind diese Konzerte am Vormittag Highlights für die Besucher der Opern-Aufführungen, lassen die beteiligten Orchester-Musiker in den Mittelpunkt des Interesses treten – und ernten nachhaltige Zustimmung!

Außerhalb Tirols hat die academia vocalis auch nach 21 Jahren noch wenig Resonanz gefunden – obwohl das äußerst engagierte Bemühen um die „Kultur des Gesangs“ nicht nur mit Konzerten, Schulvorstellungen und Meisterkursen die Vielfältigkeit des Singens an vielen Orten Tirols präsentiert (in diesem Jahr gab es Kurse u. a. von Mirella Freni, Kurt Widmer und Christa Ludwig mit Abschlusskonzerten in Bad Häring, Wörgl und Rattenberg).

Authentische Volksmusik spielt in diesem Genre-übergreifenden Konzept eine nicht unwichtige Rolle. Und wer vom Musikantenstadl, Maria Hellwig und den Jodl-Brauchtumsabenden sein berechtigtes Vorurteil gegenüber dieser Art von Musik pflegt, der ist hoch überrascht von den schlicht-unprätenziösen Klängen einer tradierten authentisch-kunstvollen Musik des Volkes. Der ORF fördert diese Tradition, stellt im Programm „Burgenland grüßt Tirol“ eine kundige Kapelle (allesamt Mitarbeiter des Senders im Burgenland!) und engagiert den Alpbacher Dreigesang, eine langjährig bewährte Gruppe dieses behutsam-kritischen Gesangs, der Alltags-Erlebnisse aufgreift, und sie in unspektakulärem Sprechgesang nach uralten Rollen-Verteilungen singt. Die Worte sind für einen Nicht-Tiroler kaum verständlich, doch die Ernsthaftigkeit und die immanente Regelhaftigkeit und Intensität beeindrucken zutiefst, die Distanz zum schamlosen „Musi-Kommerz“ eröffnet den Zugang zu völlig ungewohnten Hör-Möglichkeiten.

Im idyllischen Innenhof der Wallfahrtskirche Mariastein oberhalb des Inn-Tals entsteht eine intim-vertraute Atmosphäre, zumal die Mehrheit der Zuhörer sich mit dem Dargebotenen auskennt und dementsprechend kompetent reagiert. Das ist kein Ort für eventsüchtige all-inclusive-tourists, aber eine neue Erfahrung auf der Suche nach den Ursprüngen authentischen Singens!

Franz R. Stuke