Musik-Drama
„Barocke“ und „moderne“ Klangfarben stimulieren sich; barocke Instrumente kommunizieren mit Saxophon und Klarinette - Samuel Bächli „vergeht“ sich nicht an Monteverdis Opern-Mythos, verarbeitet vielmehr die Erkenntnisse historischer Aufführungspraxis mit den Möglichkeiten „aktueller“ Instrumentierung. Heraus kommt ein musikalisch-spektakuläres Groß-Ereignis, zumal die Musiker des Philharmonischen Orchesters Erfurt mit großer instrumentaler Kompetenz, sensibler Musikalität und viel Sinn für musikalische Kommunikation agieren. Samuel Bächli dirigiert das Orchester im hochgefahrenen Graben hoch aufmerksam, hat Chor und Solisten permanent unterstützend im Blick – schafft damit intensivste Kommunikation innerhalb des Orchesters, mit Chor und Bühne.
Bernd Frankes imaginationsreiche Bühne mit stilisierter Antike und abstrahierter Unterwelt vermittelt mit dezent emotionalisierendem Licht archaische Spannung; die weißen Kostüme des Chors, am Ende der Erynnien, kontrastieren mit dezenten Farben der Mythen-Figuren.
Georg Rooterings Regie setzt auf choreografisch konstruierte Abläufe (Nelly Bütikofer) und stellt Orpheus als isoliert-sehnsuchtsvolle Figur in den Raum, lässt den kommunikativen Wechsel von Nähe und Ferne als mythologisches Prinzip zu philosophisch-nachvollziehbaren Kategorien menschlicher Existenz werden. Die leidvolle Liebessehnsucht des Orpheus in ihrer existenziellen Abhängigkeit vom Willen der Götter und dem Diktat der Moira, des Schicksals, wird in quasi-kühler Distanz zu ergreifender isolierter Hoffnung.
Peter Schöne ist ein hinreißend stilisierender Orpheus mit emotionaler Umsetzung der musikalischen Monteverdi-Vorgabe als existenziell artikulierbare Verlorenheit, verleiht dem Mythos ungemein eindringliche stimmliche Präsenz. Das großartig kompetente Erfurter Ensemble mit einer überzeugend stimmstarken Marisca Mulder als ästhimierende Musica, Michael Tews als Caronte, Susanne und Alice Rath als Euridice und Messaggiera , Marwan Shamiyeh als Apollo, Denis Lakey als Spirito, Máté Sólyom-Nagy als Pluto und Temi Raphael-Kamburova als Ninfa - sie alle beeindrucken mit stilisierter Darstellung und sensibel phrasierendem Monteverdi-Gesang.
Im ausverkauften Haus wird das exzeptionelle Ereignis mit konzentrierter Aufmerksamkeit verfolgt und – den örtlichen Konventionen entsprechend – nachhaltig „gefeiert“. Doch eins ist klar: Erfurt spielt in der „Ersten Musiktheater-Liga“ – und das wird sich auch vor Ort herumsprechen. (frs)
|