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Fakten zur Aufführung 

LES CONTES D'HOFFMANN
(Jacques Offenbach)
14. März 2009 (Dernière)
(Premiere: 7. September 2008)

Theater Erfurt


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Leiden an der Liebe

Am Anfang war die Avantgarde: Wenn unverstandene Künstlerseelen im Hinterhof-Atelier auf eine gelangweilte Bourgeoisie treffen, knallt es entweder gewaltig - oder man arrangiert sich. So wie in Rupert Lummers Les Contes d’Hoffmann. Am Ende, in der splendiden Villa der kunstsinnigen Giulietta, trifft man sich, lässt Champagner fließen und bestaunt pseudo-wilde Happenings. Einer will den Mainstream allerdings vermeiden: der Dichter Hoffmann. Er flüchtet sich in den Suff und sein – zugegeben: sehr unbefriedigendes Liebesleben. Rückzug ins Private.

Leider schafft Lummer es nicht, diesen Hoffmann und seine Zweifel auch an der Kunst mit Anfang und Ende von Offenbachs Oper in Beziehung zu setzen. Hoffmann bleibt ein unglücklich Liebender, der sich schließlich auch noch ertränkt: ein Bruder von Goethes Werther. Hoffmann leidet an der Liebe, nicht an der Kunst, bleibt ein larmoyanter Liebhaber, der weder Mitleid evoziert noch Entwicklungen durchmacht – kurz: ein Typ, der eher unangenehm ist, als dass er uns irgendeine Einsicht in die Konflikte eines Künstlerdaseins offenbart.

Folgerichtig bleibt auch die Figur der Muse eher unterbelichtet – keine helfende Liebende ist sie, sondern der Saufkumpan Nicklausse. Auch die anderen Geliebten Hoffmanns bleiben Abziehbilder – am überzeugendsten gelingt die Interpretation der Olympia. Hier ist sie keine mechanische Puppe, sondern ein mit Heroin vollgepumpter Junkie vom Hinterhof, der, in grelle Klamotten gesteckt, zum Show-Element wird. Julia Neumann spielt diese Rolle fabelhaft, ja virtuos - und mit einem exquisiten Sopran, der in allen Lagen funkelt.

Richard Carlucci beherrscht die Rolle des Hoffmann, ist intonationssicher und ohne jede technische Schwächen, aber auch ohne individuelle Ausprägung – ein etwas unentschiedenes Rollenporträt. Auch Alice Raths Muse mangelt es an dieser Entschiedenheit. Furcht einflößende Statur verleiht Juri Batukov den vier bösen Geistern, Stéphanie Müther ist als Giulietta überragend, vibriert vor Leben und strahlt stimmlich wie schauspielerisch höchste Glaubwürdigkeit aus. Außerdem steht sie im Antonia-Akt als Stimme aus dem Grab nicht hinter, sondern auf der Bühne. Ilia Papandreou zeichnet punktgenau die Gefühlslage der unterdrückten Antonia nach und bringt eine warme Sopran-Höhe mit.

Die vielen Nebenrollen des Hoffmann kann das Erfurter Theater durchweg passend besetzen.

Walter E. Gugerbauer, Erfurts Generalmusikdirektor, leitet diese letzte Hoffmann-Vorstellung. Viel Liebe zum Detail kennzeichnet seine Lesart der Partitur, das Auf und Ab der Emotionen gewinnt greifbare Kontur. Kein Wunder, dass das Publikum im vollbesetzten Theater vom ersten Augenblick an fasziniert zuhört und zusieht, am Ende alle Akteure stürmisch feiert.

Thomas Hilgemeier

 








 
Fotos: Lutz Edelhoff