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Ambivalent
Zweifach verblüfft der Beginn der "Friedenstag"-Premiere auf den Domstufen:
zu sehen ist eine irritierende Gitterkonstruktion mit einer Metallbrücke
über die kaum noch sichtbare Stufenlandschaft zwischen Severin und Dom
und eine 110-stufige Metall-Treppe über der magisch-realen Treppe; und
Intendant und Regisseur Guy Montavon versichert dem Publikum des open-air-events,
er habe "mit Petrus über E-Mail gesprochen"(!). So bleibt Hank Irwin Kettels
aufwendige Bühnenkonstruktion l'art pour l'art, aufleuchtende Neonröhren
geben geometrische Effekte, vermitteln aber wenig vom epochalen Impetus
des Mordens im 30-jährigen Krieg - zumal die Handlung weitgehend am Fuß
der Konstruktion stattfindet; der mystische Ort mit den monumentalen Kirchenkulissen
spielt kaum eine Rolle.
Guy Montavon lässt die Akteure - den Durchhalte-Kommandanten, seine Truppen,
die belagerte Bevölkerung, seine liebende Maria, den gegnerischen Feldherrn,
die metaphorische Figur des "Friedens" - auf diesen Metalltreppen auf
und ab wandern, ohne dass Spannungen zwischen den divergierenden Positionen
entstehen. Doch sorgen vielfältige Lichteffekte mittels Schweinwerfern,
Feuerwerk, Rauchkapseln, Fackeln für eine animierende Atmosphäre.
Gesang und Musik werden über riesige Boxentürme verstärkt (was allerdings
den Ton aus anderen Richtungen kommen lässt, als es die Positionen von
Sängern und Orchester erwarten lassen). Der Kommandant - im Stil eines
Star-Wars-Kriegers mit Neon-Lanze - von Juan Carlos Mera-Euler lässt einen
kraftvoll-variablen Bariton hören, doch wird der ungemein flexibel-voluminöse
Sopran Kelly Gods am besten mit den Widrigkeiten der monströsen Verstärkungsapparate
zurecht: man möchte sie gern im Opernhaus im Original hören! Die Chöre
werden in der Schluss-Apotheose aus der Technik ausgeklinkt und schaffen
in 250köpfiger Besetzung einen intensiven Klang, der am Schluss endlich
den akustischen Einheitseindruck überwältigend überwindet.
"Amplification: the death knell of the opera!" Dieses provozierende Apercu
findet Bestätigung im gleichbleibend sterilen Orchesterklang, der das
Auditorium beschallt. Doch scheint auch Walter E. Gugenbauer mit dem Philharmonischen
Orchester Erfurt nicht zum perfekten Zusammenspiel zu finden: alles klingt
unsauber in der Intonation, ruppig, ohne Strausssches Pathos, ohne die
Brüche in den romantisierenden Passagen und den pathetischen Choraladaptionen.
Das Bemühen um die Friedensbotschaft trifft beim gespannten Publikum auf
offene Ohren - der wohldosierte Applaus nach 75 Minuten macht aber deutlich,
wo die Präferenzen liegen: abgestufter Jubel für die Solisten und den
Chor, Zurückhaltung bei Orchester und Regieteam. Schade, dass dem Publikum
die Besetzung der Hauptrollen nicht mitgeteilt wird. (frs) |
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