Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

AIDA
(Giuseppe Verdi)
5. Oktober 2007
(Wiederaufnahmepremiere)
(Premiere am 13. Oktober 2003)

Theater Erfurt


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Fluch der Götter

Überraschenderweise spielt die Erfurter Aida zu Zeiten des zusammenbrechenden Osmanischen Reichs – eine historisch unbekannte Allianz europäischer Kolonialmächte und osmanischer Geistlichkeit beherrscht die Szene; Amonasros Volk bleibt unsichtbar – repräsentiert offensichtlich die permanente äußere Bedrohung des fragilen politischen Systems (was dann wieder historisch begründet ist). Bruno Schwengls monumentale Bühne wird akzentuiert durch eine Isis-Statue, durch beidseitige Pyramidenwände, die sich am Ende zur Gruft schließen – und durch eine Filmkamera und –leuchte, leicht anachronistisch aus den 20er Jahren.

Dieter Kaegis Regie zelebriert anderthalb Stunden lang eine bombastische Haupt- und Staatsaktion, getragen von kräftigen Chören in phantastisch-aufwendigen, assoziationsreichen Kostümen. Mit der Nilszene beginnt ein dichtes psychologisches Drama. Der Fluch der (altägyptischen) Götter liegt über dem öffentlichen und privaten Leben.

Dem vorzüglichen Sänger-Ensemble kommen die szenischen Vorgaben entgegen – im großflächigen Ambiente können sich die Stimmen grandios entfalten. Antonia Cifrones Aida glänzt mit sicher-melodischen Höhen, vermittelt seelische Not mit fragilem Timbre. Helena Zubanovich gibt der Amneris ambivalenten Klang, vermag mit wandlungsfähigem Mezzo die emotionalen Kontraste – auch mit gewagten Register-Wechseln – hoch eindrucksvoll zu vermitteln. Sergej Ljadow prunkt mit einem durchschlagskräftigen Spinto, besteht jede Herausforderung mit Bravour – wünschenswert ein wenig mehr Piano-Gestaltung und, mon dieu, etwas mehr darstellerische Ausstrahlung.

Mit Paolo Ruggiero ist als Amonasro ein stimmstark-variabler Bassbariton zu erleben; Gregor Rozycki gibt dem Ramphis kernige Statur und Albert Pesendorfers König vermag dessen weichen Charakter angemessen zu artikulieren.

Das Philharmonische Orchester Erfurt vermag sowohl die geheimnisvollen Pianissimi als auch die brachialen Crescendi in gelingendem Zusammenspiel der Instrumente mit hoher musikalischer Sensibilität zu gestalten. Walter E. Gugenbauer führt Orchester, Chöre und Solisten zu faszinierendem Verdi-Klang – eine Glanzleistung!

Wenn das sogenannte Junge Publikum in die Oper gelockt wird, muss man mit einer Anzahl peinlicher Kindsköpfe rechnen. Im Rucksack kramen, leidend husten, Kaugummi kauen, unmotiviert vor sich hin brabbeln, Handy-leuchten, Schlückchen aus der Saft-Flasche – das alles ist nicht als Folge der unerwarteten Begegnung mit einem fremden Kultur-Segment zu erklären -- es ist schlicht unangepasstes Verhalten. Der durchaus respektvolle Applaus lässt jedoch hoffen. Wer allerdings meint, sein Kleinst-Kind auf Verdi einstimmen zu sollen, und bei dieser Form der Musikerziehung am lebenden Körper fröhliches Kreischen erweckt, der kann solches nur wagen, wenn es sich bei dem niedlichen Kleinen um einen kommenden Verdi handelt. Aber wer weiß das schon?

Vor vier Jahren wurde Erfurts Aida inauguriert – sie ist eine Theater-Leistung par excellence. (frs)

 

 


Fotos: Lutz Edelhoff