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Fakten zur Aufführung 

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)
26. September 2009 (Premiere)

Muziekkwartier Enschede
Nationale Reisopera


Points of Honor                      

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Zeitreise durch das 20. Jahrhundert?

So mancher dürfte in Enschede zunächst etwas ungläubig geschaut haben, als die Rheintöchter die Bühne betraten. Denn diese hatten an ihrem Kostüm tatsächlich Schwanzflossen. Sollte sich Regisseur Antony McDonald bei seinem Auftakt für Wagners Ring tatsächlich trauen, die Handlung in mythologisch grauer Vorzeit spielen zu lassen? Dagegen sprach allerdings sofort auch das Wrack mit Identifikationsnummer, auf dem die zudem noch ordentlich singenden Rheintöchter (Hanneke de Wit, Marjolein Niels und Corinne Romijn) ihren Puppenwagen voll Rheingold optisch sehr schwungvoll hin und her schoben. Mit Nicholas Folwell hatte man zudem einen würdigen Alberich auf der Bühne, der mit sauber geführtem Bariton metallisch auftrumpfte. Antony McDonald – so viel konnte man an dieser Szene schon für den ganzen Abend erwarten - hatte mit viel Liebe zum Detail und vor allem zur Musik das Rheingold inszeniert und auch ausstaffiert. Dazu kam die Bewegungsregie von Lucy Burge und die effektvolle Ausleuchtung von Mimi Jordan Sherin, die die erste Szene zu einem echten Highlight in der auch weiterhin gelungenen Premierenvorstellung der Nationalen Reisopera machte.

Als sich der Vorhang zum zweiten Bild hob und der Blick frei wurde auf die verlassene Bahnstation mit verschneitem Alpenpanorama wurde schnell klar, dass neue Impulse für den Ring ausbleiben würden. Das seit Chéreau obligatorische Göttergepäck nahm man schnell zur Kenntnis, ebenso wie die zeitliche Einordnung zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Eher machte man sich Sorgen, ob die als niedlicher goldener Klotz projizierte Burg Wallhall am Ende einer Lawine zum Opfer fallen würde. Auch Wotans Speer, den er in einem Köcher mit sich herum trug und zusammen schrauben konnte, machte wenig Sinn. Zudem hatte Harry Peeters keinen guten Abend, die Stimme wirkte selten frei, und wenn er sich auch um viel Differenzierung bemühte, klang die Höhe sehr forciert.

Aber was blieb, war die liebevolle Personenführung. So konnte man sogar bei Donner und Froh (gut: André Post) eine Entwicklung der Figur über den Abend ausmachen. Gerade ersterer wandelte sich vom jungen Hans Dampf zu einem nachdenklichen Gewittergott. Selten hat wohl ein Sänger so viel Applaus und laute Bravi für die eher undankbare Rolle bekommen wie Thomas Oliemans, auf dessen Wiederkehr als Gunther man sehr gespannt sein darf.

Einige Details gehörten indes zum Standardrepertoire des Rheingoldes, etwa das leise Anbandeln Fasolts mit Freia, man merkte richtig, wie die Göttin beeindruckt war von der Ehrlichkeit, die ihr der so scheinbar grobe Riese entgegen bringt. Umso bemerkenswerter gelang die Auslösung Freias, oftmals der große Schwachpunkt einiger Inszenierungen: Nicht Goldklumpen wurden in Nibelheim geschürft, sondern an Nähmaschinen werden goldene Gewänder produziert. Alberich hatte seine Latzhosen auch sofort gegen den feinen Zwirn getauscht, der Tarnhelm ist nichts weiter als ein goldener Zylinder, ein Hauptbestandteil im Magiekasten eines Zauberers. Später wurde Freia in diese Gewänder gewickelt, bekam den Tarnhelm auf den Kopf und stand, als goldene Statue aller weiblichen Züge beraubt, zur Schau. Nur in wenigen Bildern wie diesen wurde das sich anbahnende Weltendrama offenbar, ansonsten dominierte der spielerische Ansatz, angeführt durch den windigen Loge, ein Fotograf im roten Anzug und dazu gehöriger Melone, der mit seinem Blitz alle blendete. Für diese starke Person hatte Erin Caves eine ebenso starke wie spielerische Stimme parat, mit der er alle Facetten der Rolle zu Tage förderte. Am Ende verbrannte er das Fotoalbum von Wallhall, während die Götter keinen Zug nach Wallhall bekommen, sondern sich zu Fuß auf den Weg machen müssen. Vorher hatte Froh noch Achterbahn und Riesenrad in der Ferne zum Blinken gebracht – Wallhall wird eben eine Neverland-Ranch bleiben.

Hier ließ Dirigent Ed Spanjaard auch das Orchester richtig von der Leine und verschaffte dem Werk so noch mal ein würdiges Finale, das sich nahtlos in einen großen Spannungsbogen einfügte. Ganz wie in Bayreuth erklang das Vorspiel – nahezu lupenrein von den Hörnern eröffnet – im Dunkeln. Das wirklich sehr gute Orkest van het Oosten zeigte viel musikalischen Fluss, sauber eingebunden war die sorgfältige Motivarbeit. Es war bestimmt kein schlank gespielter Wagner, trotzdem waren die Sänger gut zu verstehen, was gewiss auch an der guten Akustik des Hauses lag.

So gab es am Ende viele Bravi, spontane Standing Ovations kurz nach dem Ausklang der Musik. Neben den schon genannten Publikumslieblingen Erin Caves, Nicholas Folwell und Thomas Oliemans hatte jeder Sänger noch seine Befürworter im Saal, wobei das Publikum doch sehr genau differenzierte: Adrian Thompson sang den Mime punktgenau (hoffentlich kommt er wieder zum Siegfried), Machteld Baumans klang als Freia passend lieblich unforciert in den Höhen und Philippe Kahn und Gregory Frank hatten für die Riesen in ihren Stimmen die richtige Kombination aus Kultur und Kraft.

Wohin dieser Ring führt, wird sich noch zeigen. Vielleicht wird es ja eine Zeitreise durch das zwanzigste Jahrhundert. Die mythologischen Chiffren werden hoffentlich erhalten bleiben. Egal was wird aus diesem Ring, das Rheingold war ein viel versprechender Auftakt.

Christoph Broermann

 








 
Fotos: © Marco Borggreve