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Fakten zur Aufführung 

ANDREA CHENIER
(Umberto Giordano)
9. November 2008 (Premiere Eisenach)
(Premiere Meiningen: 16. März 2008)

Landestheater Eisenach
Südthüringische Staatsoper Meiningen


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Opfer der Revolution

Die neue Situation mit ambitionierten Produktionen der Meininger Oper im angegliederten Eisenacher Theater gewinnt Konturen: Der aufwendig inszenierte Andrea Chenier kommt auf die kleine Bühne im atmosphärisch dichten Eisenacher Theater – konzertant zwar, mit dem großen Orchester auf dem gedeckten Orchestergraben und der Bühne, dem Chor im ersten Rang, aber in den opulenten zeitgenössischen Kostümen von Renate Schmitzer - und mit einem hoch engagierten Ensemble, das durch Gänge, Mimik und Gestik die veristische Leidenschaftlichkeit auch darstellerisch intensiv vermittelt!

Gesungen wird auf höchstem Niveau, die menschlichen Opfer der so viele Existenzen zerstörenden Revolution gewinnen bewegende Emotion – lassen aber auch den großen Gestus der Revolution in seiner Totalität extrem nachvollziehbar werden: auch die Empathie bestimmt den menschlich erlittenen Welten-Umbruch. Xu Chang demonstriert die emotionalisierende Kraft seines phänomenalen Tenors mit veristischer Leidenschaft – absolut höhensicher, mit großem Volumen und nuancenreicher Mittellage, ein getriebener Chenier von bemerkenswertem Format! Dae-Hee Shin gibt den revolutionär-brutalen, aber von humanen Eruptionen bestimmten Gerard mit einem grandiosen Bariton in voller Kraftentfaltung, vermag aber auch den zweifelnden Zwischentönen glaubhaft Ausdruck zu verleihen. Und Elizabeth Hagedorn verleiht der Maddalena sowohl die lockere Koketterie der verwöhnt-zickigen Contessa als auch die dramatisch bewegenden Töne der sich opfernden Liebenden – variabel im Ausdruck, perfekt in der variantenreichen Phrasierung. Beeindruckend das Ensemble der Meininger Oper in allen – typengerecht besetzten – Rollen: Ute Dähne als alte Contessa und alte Madelon, Maida Karišik als Bersi, Dimitar Sterev als Haushofmeister, Dominik Nekel als Jakobiner, Stan Meus als Spion sowie die übrigen Protagonisten – sie alle dokumentieren die bewundernswerte sängerische Kompetenz des Meininger Hauses.

Stefanos Tsialis leitet die Meininger Hofkapelle sehr umsichtig, kümmert sich um den Chor, bemüht sich um die hinter ihm agierenden Solisten: doch das Orchester braucht einige Zeit, um sich zu entfalten, um den so spektakulären Anforderungen des Giordano-Verismo gerecht zu werden, gelangt aber endlich doch zu instrumentaler Dramatik – mit einem geradezu hinreißenden Finale.

Ganze 50 (!) Zuhörer finden sich im anheimelnden Parkett des Eisenacher Theaters mit seinen 500 Plätzen - doch wie so oft in solchen scheinbar demotivierenden Situationen: die Aufmerksamkeit ist hochgespannt, es gibt spontanen Zwischen-Applaus, Jubel-Rufe und Standing Ovations im nicht enden wollenden Schlussbeifall. Ob die Zurückhaltung in Eisenach mit dem Verlust der Eigenständigkeit zu tun hat: darüber lässt sich nur rätseln - schließlich haben die Eisenacher diese Situation nicht verhindern wollen, ja sogar bewusst provoziert. Und da wäre es schon ein kulturelles Desaster, wenn hoch engagierte Künstler durch Boykott bestraft werden sollten.

Für die kulturelle Öffentlichkeit gilt es, diesen bösen Verdacht Lügen zu strafen - und für alle Beteiligten in Meiningen und Eisenach, angemessene Umgangsformen zu entwickeln! (frs)
 








Fotos: H. H. Dohmen