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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
19. Mai 2007 (Premiere)

Opera Zuid
(Parktheater Eindhoven)

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Nackte Existenz

Ist das nun zynische Stierkampf-Hommage, dekonstruierter Existenzialismus oder schiere Lust an der szenischen Provokation? Die Tendenz steht am Anfang fest: Da steht der trunkene „Zauberer“, bereitet die Pointe vor - und es geschieht: nichts. Calixto Bieito inszeniert Triebe, Aggressionen, Frauen als Lustobjekte, Machos als unbegriffene Täter - es geht um die nackte Existenz ohne Suche nach dem existenziellen Mehr. Höhepunkt: der nackte Toreador im symbolischen Kampf mit dem monströs-symbolischen Stier. Brutalität, harte erotikfreie Sexualität, Verweise auf eine kaputte Bürgerlichkeit und die Abwesenheit humaner Gefühle beherrschen die Szene. Die Hölle sind eben nicht nur die anderen, sondern jeder selbst – auch Carmen, die nicht zur femme fatale in einer bürgerlichen Welt wird, sondern Prototyp unausweichlicher gesellschaftlichen Vernichtungswillens wird.

Alfons Flores baut eine öde Leere, präsentiert kaputte Fetische scheinbar normaler Existenz (vier Mercedes-Wracks auf der Bühne), und Xavier Clot lässt die gespenstische Szenerie in bizarrem Licht erscheinen.

Das Ensemble der Opera Zuid lässt sich auf die Inszenierungs-Provokation mit Verve ein, exaltiertes Spiel und hemmungslose Körperlichkeit werden zu imaginierende Zeichen nackter Existentialität – dabei stimmlich kontrolliert mit höchster Kompetenz für die geforderten Tessituren: Machteld Vennevertlo und Klara Uleman als sexuell hörige Frasquita und Mercedes; Jean-Michel van Oosten, Alexander Schröder, Leonard Graus und Willem de Vries als machohafte Schmuggler und Soldaten Dancairo und Remendado, Zuniga und Morales. Hans Voschezang verleiht dem Escamillo selbstbewusste Statur mit kraftvollem Bariton; Francis von Broekhuizen ist ein aggressive Micaela, stimmlich weitweg von lyrischem „Schmelz“. Harrie van der Plas gibt dem Jose den Charakter des aufgemotzten Schwächlings, setzt die desaströse Existenz stimmlich variabel perfekt um. Helen Lepalaan ist eine attraktive Carmen, engagiert sich körperlich mit hinreißender Energie und gibt der „Hölle der Existenz“ adäquate Stimme - doch fehlt ihr (noch) die lodernde Glut in den Tiefen. Beeindruckend Spielfreude und sängerische Kraft des Koor Conservatorium Maastricht, und der mutig-auftrumpfende Kinderkoor Sjamaes!

Het Brabants Orkest wird von Daniel Raiskin zu bewusst-kalkuliertem Spiel geleitet: da werden die sooft beschworenen Abgründe der Berlioz-Musik hörbar, da wird nicht auf allzu vertraute „Knalleffekte“ gesetzt: Eine kongeniale Übereinstimmung von provozierender Regie-Idee, exaltierter Aktion, assoziationsreicher Szene und differenzierter Musik!

Die Opera Zuid zelebriert im vollbesetzten Eindhovener Parktheater eine spektakuläre Premiere der Bieito-Carmen, die bereits 2000 beim Festival Castell de Peralada präsentiert und anschließend auf verschiedenen niederländischen und deutschen Bühnen aufgeführt wurde. Das überaus animierte Publikum feiert Orchester, Sänger, Regieteam mit spontanen standing ovations. Unter Miranda van Kralingen gewinnt die Opera Zuid mit eigenem Ensemble neue Attraktivität! (frs)