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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
16. August 2003

Edinburgh International Festival

Points of Honor                      

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Unsere Zukunft!

Ich habe noch nie und nirgends nach einer Wagner-Oper einen solchen vielstimmigen Beifallsorkan erlebt wie nach der hinreißend-unbefangenen "Götterdämmerung" auf den steilen Rängen des Festival Theaters. Ein absolut enthusiasmiertes Publikum - Junge und Alte, Kenner und "Neugierige", Schotten und andere, Betuchte und Sozialfälle - pfeift, schreit die Begeisterung aus sich heraus, springt von den Sitzen! Und das ist auch das Resultat einer spannend erzählten Geschichte über das Woher der großen Krisen und der Hoffnung auf unsere Zukunft, die aus Brünnhildes weitergetragener Fackel eines neuen Lebens erwächst.

Nun hat es viele kongenial aktualisierte Inszenierungen gegeben, doch hier in Edinburgh ist von der Last der teutonischen Mythen und ihrer leidvollen Vergangenheit nichts zu spüren, nicht einmal der Wille zur "Revision". Tim Albery interessiert schlicht das Schicksal einzelner Menschen im Zeichen des Zusammenbruchs der tradierten Werte und ihre Repräsentanten. Gunter, Gutrune, Siegfried, Hagen, Brünnhilde: für sie ist ein "richtiges Leben im falschen" unmöglich! Aber nicht nur diese Adorno-Konkretion lässt aufmerken; auch die Realisierung der provokanten Bloch-These, dass Wagners Werk seine größte Kraft durch die "Nobilisierung des Trivialen" gewinnt, ist die große Leistung dieser Ring-Offenbarung.

Hildegard Bechtlers sparsame Bühne baut auf diese Dichotomie von Massengesellschaft und Individuen: über einen Vorhang mit dem Sternenhimmel, einen Rundprospekt mit der Tapete einer riesigen Wohnmaschine, spärlich möblierten Wohnräumen und "Freizeitanlagen" bis zur individuell-focussierten "Nahaufnahme" reichen die konstruierten Angebote.

Der überwältigende Charme des Orchestra of Scottish Opera liegt in der geradezu "naiven" Interpretation Richard Armstrongs; da werden Emotionen pur vermittelt, da trübt keines Gedankens Blässe das Aufeinanderprallen Treue und List, von Liebe und Hass, von Ewigkeit und Jetzt, von Philosophie und Lebenslust und -angst. Nichts ist mit der "unendlichen Melodie", aber alles ist gebrochen, jeweils grell und übersteigert. (Ein wenig mehr Perfektion - vor allem bei den Hörnern könnte allerdings schon sein, und etwas mehr Koordination zugunsten der hochstrapazierten Sänger.)

Die attraktiven Rheintöchter haben ihren sensationellen Auftritt als Animiermädchen in einer Bar im Walde (Inka Rinn, Marianne Andersen, Leah Marian Jones), wo der stimmgewaltige, verzweifelt für die mythische Vergangenheit kämpfende Hagen (Mats Almgren) Siegfried ermordet. Graham Sanders ist der bedenkenlose sonny boy (etwa so einer wie George Best), gut bei Stimme und nach seiner Bremer und Braunschweiger Zeit erheblich weitergekommen. Man darf gespannt sein, welchen Lauf die Karriere nimmt, wenn die Stimme noch an Volumen gewinnt! Peter Savidges Gunther zeigt einen bemerkenswerten Bruch von strahlendem "Blutsbruder" zum zerstörten Betrogenen. Elaine McKrills Gutrune spielt die verliebte Promi-Braut glänzend, lässt stimmlich Wünsche offen. Mit eindrucksvoller Kraft: Jane Irwin als Waltraute. Elizabeth Byrne ist sicherlich - seit ihrem Auftritt in der "Walküre" 2001 - Die Entdeckung der Schottischen Oper: enorme Ausstrahlung, modulationsreicher Sopran, kraftvolle Spitzentöne ohne schrille Akzente, textverständlich und bei aller Leidenschaftlichkeit perfekt kontrolliert in Intonation und Phrasierung: eine traumhafte Besetzung! (frs)