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Schöne Hunde!
Schöne Hunde, auf die Platel da gekommen ist. Rund ein Duzend davon konkurrieren
mit den Tänzern von Les Ballets C. de la B. um die Zuneigung des Publikums
in seiner Inszenierung von "Wolf - Wie Mozart auf den Hund kam". Vor allem
zu Beginn steht es unentschieden. Vorteil Hunde: die Außergewöhnlichkeit
ihrer Anwesenheit an sich, die Überschaubarkeit ihrer Handlung - balgen,
stolzieren und immer auf das Alphatierchen, das hier ein Mensch ist, achten.
Vorteil Tänzer: drei Ebenen Spiel-, Tanz- und Akrobatikfläche, schrilles
Kostüm, effektvolle Interaktion von Kampf bis Orgie.
Wieder einmal hat sich Alain Platel einer Musik verschrieben und aus ihr
heraus ein Stück entwickelt. Oder besser: viele kleine Stücke. Manche
haben Anfang und Ende. Mickey Mouse auf der großen Star-Bühne, die im
Interview bekennt, später Präsident der Vereinigten Staaten werden zu
wollen und von einer Disney-Fee mit Krönchen und auf Spitze böse attackiert
wird (tänzerisch und theatral beeindruckend: Raphaelle Delaunay und Samuel
Lefeuvre).
Vieles bleibt fragmentarisch: gelangweilter Mann mit Zigarette und Frau
mit Hund im Celine-Dion-Karaoke-Wahn. Die Frau, die mit dem Mini-Hündchen
im Badeanzug den Känguru-Tanz macht, der im Geburtsvorgang endet. Der
Tänzer, der um den Spagat ringt, um dann endlich im Tutu und mit Flügelchen
klassisch-balletös über die Bühne zu hüpfen.
Zahlreiche Ideen (von den Tänzern über Improvisationen erarbeitet) sind
vielversprechend und schüren die Erwartung auf interessante Geschichten
- doch meist zerbröseln sie irgendwie. Auch dies vielleicht der Ausdruck
eines Lebensgefühls, das auf der Straße entsteht. Stattdessen viel rüde
Anmache, aufgedonnerte Frauen, Testosteron-Schwaden, Kampf. Platels notorische
Liebe gilt seit langem denen, die ein Straßenhundeleben führen - und deren
Gesellschaft Mozart der Legende nach bisweilen der seiner honorigen Arbeitgeber
vorgezogen hat.
Bert Neumann hat dem Tanztheater einen Raum gegeben, der die anheimelnde
Tristesse einer Ladenstadt verströmt. Kleine Läden, Rollgitter, Geldautomat
- und ein schönes Galerie-Geländer, über das man prima laufen, stürzen,
brüllen und sonst wie verkehren kann. Für die Tänzerinnen und Tänzer ein
optionsreiches Arial, auf dem sie viele originelle Miniaturszenen, sehr
akrobatischen Tanz und in eher seltenen Momenten Bewegungen zeigen, die
anrührend sind.
Das Ensemble spielt und tanzt mit großem, teils beeindruckendem komödiantischen
Einsatz. Und daneben spielt das Klangforum Wien, dem Sylvain Cambreling
als Arrangeur zur Seite gestanden hat, auf hohem Niveau Highlights aus
Mozarts Opern- und Konzertwerk.
Die wunderbaren Stimmen von Marina Comparato (Mezzo-Sopran), Ingela Bohlin
(Sopran) und Aleksandra Zamojska (Sopran) bezaubern durch Technik und
je eigenem Timbre. Eine Ganzheit von Musik und Theatertreiben will sich
jedoch nur schwer einstellen.
Dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, wie bei der zauberhaft-melancholischen
Figaro-Arie "L'ho perduta" mit einem ergreifenden Solo von Lefeuvre, bleibt
die Ausnahme. (cr) |
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