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Fakten zur Aufführung 

WOLF
(Alain Platel,
Wolfgang A. Mozart)
4. Mai 2003

RuhrTriennale
(Kraftzentrale, Landschaftspark Duisburg-Nord)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Schöne Hunde!

Schöne Hunde, auf die Platel da gekommen ist. Rund ein Duzend davon konkurrieren mit den Tänzern von Les Ballets C. de la B. um die Zuneigung des Publikums in seiner Inszenierung von "Wolf - Wie Mozart auf den Hund kam". Vor allem zu Beginn steht es unentschieden. Vorteil Hunde: die Außergewöhnlichkeit ihrer Anwesenheit an sich, die Überschaubarkeit ihrer Handlung - balgen, stolzieren und immer auf das Alphatierchen, das hier ein Mensch ist, achten. Vorteil Tänzer: drei Ebenen Spiel-, Tanz- und Akrobatikfläche, schrilles Kostüm, effektvolle Interaktion von Kampf bis Orgie.

Wieder einmal hat sich Alain Platel einer Musik verschrieben und aus ihr heraus ein Stück entwickelt. Oder besser: viele kleine Stücke. Manche haben Anfang und Ende. Mickey Mouse auf der großen Star-Bühne, die im Interview bekennt, später Präsident der Vereinigten Staaten werden zu wollen und von einer Disney-Fee mit Krönchen und auf Spitze böse attackiert wird (tänzerisch und theatral beeindruckend: Raphaelle Delaunay und Samuel Lefeuvre).

Vieles bleibt fragmentarisch: gelangweilter Mann mit Zigarette und Frau mit Hund im Celine-Dion-Karaoke-Wahn. Die Frau, die mit dem Mini-Hündchen im Badeanzug den Känguru-Tanz macht, der im Geburtsvorgang endet. Der Tänzer, der um den Spagat ringt, um dann endlich im Tutu und mit Flügelchen klassisch-balletös über die Bühne zu hüpfen.

Zahlreiche Ideen (von den Tänzern über Improvisationen erarbeitet) sind vielversprechend und schüren die Erwartung auf interessante Geschichten - doch meist zerbröseln sie irgendwie. Auch dies vielleicht der Ausdruck eines Lebensgefühls, das auf der Straße entsteht. Stattdessen viel rüde Anmache, aufgedonnerte Frauen, Testosteron-Schwaden, Kampf. Platels notorische Liebe gilt seit langem denen, die ein Straßenhundeleben führen - und deren Gesellschaft Mozart der Legende nach bisweilen der seiner honorigen Arbeitgeber vorgezogen hat.

Bert Neumann hat dem Tanztheater einen Raum gegeben, der die anheimelnde Tristesse einer Ladenstadt verströmt. Kleine Läden, Rollgitter, Geldautomat - und ein schönes Galerie-Geländer, über das man prima laufen, stürzen, brüllen und sonst wie verkehren kann. Für die Tänzerinnen und Tänzer ein optionsreiches Arial, auf dem sie viele originelle Miniaturszenen, sehr akrobatischen Tanz und in eher seltenen Momenten Bewegungen zeigen, die anrührend sind.

Das Ensemble spielt und tanzt mit großem, teils beeindruckendem komödiantischen Einsatz. Und daneben spielt das Klangforum Wien, dem Sylvain Cambreling als Arrangeur zur Seite gestanden hat, auf hohem Niveau Highlights aus Mozarts Opern- und Konzertwerk.

Die wunderbaren Stimmen von Marina Comparato (Mezzo-Sopran), Ingela Bohlin (Sopran) und Aleksandra Zamojska (Sopran) bezaubern durch Technik und je eigenem Timbre. Eine Ganzheit von Musik und Theatertreiben will sich jedoch nur schwer einstellen.

Dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, wie bei der zauberhaft-melancholischen Figaro-Arie "L'ho perduta" mit einem ergreifenden Solo von Lefeuvre, bleibt die Ausnahme. (cr)


Foto: © Chris Van der Burght