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DIE BRUTALITÄT DES SEINS
Bei seinen Inszenierungen (Entführung,
Zauberflöte, Fidelio, Troubadour, Don Carlos....) setzt Dieter Hilsdorf
auf die Dekonstruktion der Opernkonventionen. Bei seiner ersten "Tosca"-Inszenierung
setzt er auf die immanente Brutalität des Originals, steigert die Action
ins kaum Erträgliche. Epische Mittel und subtile Verfremdungseffekte bieten
ein Erlebnis der atemraubenden Art.
Im realistisch-kommunikativen Bühnenbild von Johannes Leiacker - vom zweiten
zum dritten Akt an attacca - agieren die Protagonisten mit leidenschaftlicher
Hingabe.
Andrej Lantsov interpretiert den drangsalierten Cavaradossi trotz Erkältung
kraftvoll, variiert Lucevan le Stelle ohne zu transponieren mit den Spitzentönen
im Piano; John Wegner ist die Verkörperung des sex and crime-Monsters
Scarpia: ein Brutalo der Extraklasse! Die Tosca Therese Waldners ist Leidenschaft,
hingebungsvolle Liebe, Eifersucht, Rache, Entsetzen pur - mit einer Stimme,
die alle diese Emotionen hinreißend vermittelt. Mit Michael Milanov als
Angelotti und Michael Dries als Sagrestano werden "Randfiguren" zu zentralen
Trägern eines Dramas voller suspence.
Dieser Orgie an Gewalt und Leidenschaft entsprechen die außerordentlich
motivierten Duisburger Philharmoniker. John Fiore hämmert die Anfangstakte,
akzentuiert die Gewaltausbrüche, lässt Passagen des Retardierens als entlastendes
Ausatmen erleben und demonstriert, dass Puccinis Musik viel mehr bietet
als "schönen" Begleitungsklang für Belcanto-Virtuosen.
Das aufmerksam-kundige Duisburger Premierenpublikum brauchte eine Zeit,
um nach offenkundiger Betroffenheit langanhaltend begeistert zu applaudieren.
Ganz profan wünscht man dem Haus eine bessere Catering-Organisation (warum
gibt's "vorher" keine "Häppchen" zu essen?) und einen besseren Garderoben-Service
(10 Minuten bis zur Mantel-Rückgabe sind eine lange Zeit!) (frs)
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