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Fakten zur Aufführung 

TAMAR
(K. Stockhausen/J.S. Bach/R. Huber)
23. September 2009 (Premiere)

Gebläsehalle Duisburg
RuhrTriennale


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Meditatives Staunen

In der Kathedrale der Arbeit ist die Bühne eine grandiose rote Fläche – bzw. eine riesige Palme – zwischen aufsteigenden gegenüberliegenden Zuschauertribünen.
Es tauchen auf rituelle Butoh-Tänzer als gestikulierende Repräsentantinnen mystischen Körperwissens in kalkigen Gewändern, bewegen sich schlangengleich, provozieren intensives Vertiefen in ritualisierte Gestik, und führen zu Totenstille im Auditorium.
Markus Stockhausen (Trompete) intoniert mit seinen Kollegen Fabio Mina (Flöte und Duduk), Rabih Lahoud (Stimme) Fabrizio Ottaviuci (Klavier) und Dimitrios Dorian Kokiousis (Perkussion).
Karlheinz Stockhausens Goldstaub von 1968 – ein meditatives musikalisches Spiel ersterbender Klänge, solistischer Crescendi, konterkarierender Instrumente, sphärischer Töne, reflektierender Deutung – mit dem Ergebnis total schweigenden Nachdenkens im Publikum.
Es folgt der fast szenische Auftritt des Chorwerks Ruhr (Leitung Rupert Huber) mit Bachs Motette Singet dem Herrn ein neues Lied – ein Exempel religiös imaginativen Gesangs, zu Anfang von Unsicherheiten in den Einsätzen verunziert, aber im Ablauf ein beglückendes Erlebnis choral-frommen Gesangs.
Nach der - langen – Umbaupause versammeln sich die SolistInnen des Chorwerks Ruhr um die Tamar, eine emotions-stiftende Palme. Der Chor artikuliert vokalisierend Hymnen auf die ritualisierte Natur; Einzelstimmen ragen hervor, brillieren mit extensiven Partien, wirken natur-beschwörend – alles endend in einem „song“, der sich im Duktus eines tirol-ähnlichen Dreigesangs steigert. Der rauschebärtige Rupert Huber inszeniert einen ritualisierten Tanz um das Symbol der Natur, leitet das stimmvariable Chorwerk Ruhr zu imaginativen Klängen, entwickelt eine vokalisierende Komposition mit dem Einsatz von Maultrommeln als akustischen Appell für die Unzerstörbarkeit der Natur.
Es gibt vier Teile einer Aufführung – aber kein Ganzes. Kreatürliche Klänge, kunstvolle Vokalisen, unverständliche Texte erinnern an Kreneks Versuch, eine textfreie Oper zu generieren – der aber scheiterte.
Und so hinterlässt das Gebotene den Eindruck Erkenntnis suchender Ratlosigkeit. Viele Teile des hoch motivierten Publikums fühlen sich nicht erreicht – und in der Tat: Ein eher enzyklopädisch-akzidentiell-intentionales Programmheft nebst hermetischer Einführung kann nicht die Selbst-Interpretation einer Performance ersetzen.
Die religions-vermittelnde Intention der RuhrTriennale hat keine neuen Multiplikatoren gefunden.

Franz R. Stuke

 






 
Fotos: © Paul Leclaire