Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

STEINE UND HERZEN
(Andreas Schett, Markus Kraler)
5. September 2005
(Premiere: 2.9.05)

RuhrTriennale
(Kraftzentrale Duisburg)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 

zurück       Leserbrief

Der Berg ruft!

Kaum eines der Auftragswerke der RuhrTriennale lässt sich so spannend an, wie „Steine und Herzen“. Grundidee ist, die Welt der Alpen aus Sicht ihrer ersten Eroberer darzustellen, zu einer Zeit, als es noch mitten in Europa weiße Flecken auf der Landkarte gab. Sieht man dies noch unter dem Gesichtspunkt des damaligen Glaubens an Drachen und Dämonen, so ist dies eine spannungsgeladene Ausgangslage sondergleichen. Das musikalische Konzept, die musikalischen Formen alpiner Kulturen zu spiegeln, mithin Viehlockrufe, Totenklagen und weitere Elemente traditioneller Musik einzubringen, nimmt diese dankbare Vorlage des Librettos klug auf. Leider allerdings bleibt es bei diesen großartigen Ansätzen, das szenische und musikalische Ergebnis hinkt die Länge eines Alpentales dem Konzept hinterher.

Dabei ist die Handlung noch durchaus fesselnd – im Gegensatz zu vielen anderen neuen Musiktheaterstücken, die meinen ganz ohne stringenten Handlungsfaden auskommen zu können. Ein Genfer Uhrmacher wettet um 1800 mit einem wohlhabenden Bankier, dass sich auf dem Gipfel des Hausberges ein riesiger Diamant befindet. Dessen Existenz soll die Theorien der noch in den Kinderschuhen steckenden modernen Naturwissenschaft belegen. Auf der Reise zum Gipfel kommt es zu allerhand Verwicklungen, so bändelt die Ehefrau des Uhrmachers am Vorabend der Abreise mit dessen Assistenten an. Dies rächt sich auf dem späteren Weg, auf welchem dem Uhrmacher mit seinem Assistenten merkwürdige Gestalten – Urvölker, Geister, Eremiten - begegnen.

Nein, die Probleme der Inszenierung liegen woanders. Sie beginnen bereits mit der Musik. So viel wurde versprochen. Und verglichen damit nur wenig gehalten. Natürlich sind einige Songs, wie das Titellied „Steine und Herzen“, gelungen. Potential ist also beim Komponistenduo Andreas Schett und Markus Kraler durchaus vorhanden. Doch leider hört man die „Musicbanda Franui“ (Leitung Andreas Schett) viel zu selten. Eine Zeit lang fragt man sich, wozu eigentlich die Musiker – überflüssigerweise auch noch kostümiert auf der Bühne – anwesend sind. Zudem klingt die Musik, die stilistisch etwa bei einem leicht hörbaren Weill einzuordnen ist, alles andere als übermäßig vielschichtig. Alles wirkt eher etwas eilig komponiert, der Funke will nicht recht überspringen. Viele Chancen wurden hier vertan. Dies setzt sich noch viel mehr auf gesanglicher Seite fort. Lediglich Francesca Tappa als Frau des Uhrmachers hat hier Potential. Die anderen Darsteller haben einfach keine Singstimme. Insbesondere das Volumen fehlt, so dass der Gesang oft eher ein Sprechen ist. Einzig das Chorwerk Ruhr ist hier ein Lichtblick mit seinem klaren, kraftvollen Gesang. Verstärkt wird dies Problem buchstäblich noch durch die Tontechnik. Sie vermag die Sänger und das Orchester einfach nicht zusammenzubringen.

Diese Mängel kann auch der gesprochene Text (Libretto und Regie Sven-Eric Bechtholf) nur bedingt ausgleichen. Am Anfang geht die Handlung etwas schleppend voran, ganz am Ende gibt es noch einen überflüssigen Abschluss der Geschichte. Dazu kommen teilweise unfreiwillig komische Regieeinfälle, wie eine Art Graf Dracula und die Berghexe, welche als Uhrfrau daherkommt. Auch einige Gags hätte man besser gestrichen. Insofern ist der Bruch zwischen Gesangstexten und Sprechtexten zu groß. Problematisch ist auch das Bühnenbild (Christian Bussmann). Im Grunde ist es ein origineller Einfall, eine kleine Berglandschaft mit begehbaren Felsen zu gestalten. Allerdings wird die Grundidee der RuhrTriennale „Kunst im Industrieraum“ dabei nicht aufgegriffen. Zwar öffnet sich das Bühnenbild ganz am Ende und gibt den Blick frei in die gewaltige Halle der Kraftzentrale, dies jedoch wirkt eher wie eine Verlegenheitslösung. Als Fazit bleibt ein Abend, der trotz vieler vergebener Chancen relativ kurzweilig ist, der einen trotz allem auf eine ganze eigene Art und Weise in eine andere Welt entführt. Immerhin ein Ansatz. (ap)


Fotos: © Clärchen und Matthias Baus