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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
19. September 2009 (Premiere)

Deutsche Oper am Rhein
Oper Duisburg


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Musik

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Amoklauf als Ausweg?

Am Ende steht das Grauen: Ohne Aussicht auf irgendeine Lebensperspektive ermordet Salome ihre Familie, ihre Umwelt. Die hat ihr viel angetan, sie unterdrückt und als Objekt behandelt. Wenn sie wie im Blutrausch herumballert und schließlich die Waffe gegen sich selbst richtet, wirkt das wie der Amoklauf einer Schülerin, wirkt ganz aktuell. Und ein wenig werden Regisseurin Tatjana Gürbaca und ihr Team vielleicht auch an solch eine Bluttat gedacht haben, als sie sich daran machten, Strauss’ Frühwerk auf die Bühne der Rheinoper zu stellen.
Klaus Grünberg liefert ein stylisches Wohnzimmer, in dem Papa Herodes eine Party feiert – alles fein auf einander abgestimmt und doch der Zerstörung anheim gestellt. Hier, in diesem ziemlich hermetischen „Lebensraum“ kann Gürbaca auch ihre Stärke ausspielen: die Personenführung.
Einer stört die Feier, der lästige Prophet Jochanaan, der Moral predigt und der die Geschäfte des Hausherrn mit den Juden unterbricht. Töchterchen Salome merkt in der Begegnung mit diesem unheimlichen Menschen aus der Wüste, dass es noch etwas anderes gibt als ihre verdorbene Familie - und muckt auf.
So fern, so gut. Bis hierhin funktioniert Gürbacas Konzept perfekt. Kippen tut es beim Schleiertanz, den Salome gar nicht richtig ausführt, sondern wie in einer Scharade die Vorgeschichte der Familie darstellt. Das es sich um diese Vorgeschichte handelt, wird aber nicht deutlich, das Publikum wird mit den Bildern allein gelassen. Da kommen etliche Fragezeichen auf bis hin zum finalen Massenmord. Es ist eine der Inszenierung, die nur mittels Werkeinführung oder ausgiebiger Programmheftlektüre sich erschließt - im Idealfall sollte eine solche Regie dringend überarbeitet werden. Sonst sind all’ die Liter Theaterblut verschwendet und ihre Wirkung erstarrt in leerem Schockfaktor bei jenem Teil des Publikums, der Körperflüssigkeiten auf der Bühne noch nicht gewohnt ist oder nicht sonderlich mag, vor allem dann nicht, wenn es an Plausibilität mangelt.
Das Ensemble der Rheinoper bietet viele Möglichkeiten, die kleinen Rollen hervorragend zu besetzen. Und so werden Juden, Nazarener und Soldaten ohne Ausnahme gut gestaltet. Norbert Ernst ist ein Narraboth mit schwärmerischem, sanften Tenor, der Salome bewundert wie die Motte das Licht. Theresa Kronthaler als Page warnt ihn immer wieder vor dem drohenden Verderben.
Sängerisch herausragend Wolfgang Schmidt als Herodes, der den Potentaten als Geschäftsmann gibt, der aber auch immer nach neuen Ausschweifungen sucht. Eine erstklassige Rollendeutung, ganz ohne die Attitüde eines alten, geilen Bocks. Markus Marquardt singt den Jochanaan ebenmäßig, anklagend und fast balsamisch Trost verheißend zugleich.
Königlich, weil statuarisch und unbeugsam: die Herodias von Renée Morloc, die vor allem in den tiefen Lagen ihres Mezzos sehr überzeugte.
Morenike Fadayomi hat die Stimme, die für die Titelpartie gebraucht wird, einen kraftvollen Sopran, der in den Höhen sicher anspringt. Das bewies sie eindrucksvoll im musikalischen Höhepunkt der Salome: in ihrem großen Schlussmonolog. Da war ihr doch eher zögerlicher, sehr zurückhaltender Einstieg zu Beginn des ersten Aktes mir nur sehr eingeschränkter Leuchtkraft schnell vergessen. Fadayomi besitzt das Potenzial, die Salome zu einem restlos bezwingenden Rollenportrait auszubauen.
Die Duisburger Philharmoniker wurden von Michael Boder sicher durch die intensive Partitur geführt, ließen mitunter allerdings das Fiebrige, das Wahnsinnige, auch das Erotische vermissen, dass das Geschehen auf der Bühne untermauert hätte.
Eines ist Tatjana Gürbaca auf jeden Fall gelungen: Diese Produktion ließ niemanden im Publikum kalt. Kaum war der letzte Ton verklungen, brach ein Wettstreit aus zwischen Buhs und Bravi für die Regie. Wer da obsiegte, war nicht auszumachen – also eher ein Unentschieden im Widerstreit der lebhaften Reaktionen.

Christoph Schulte im Walde

 






 
Fotos: Hans Jörg Michel