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Fakten zur Aufführung 

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN
(Christopher Hampton)
9. September 2006
(Premiere: 8.9.06)

RuhrTriennale
(Gebläsehalle, Landschaftspark Duisburg-Nord)

Points of Honor                      

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Zwei Halbe sind kein Ganzes

Gefährliche Liebschaften – vielen kommt da zunächst die mitreißende Verfilmung mit Gérard Philipe von 1959 oder das temporeiche Remake Eiskalte Engel (1999) in den Sinn. Ursprünglich handelt es sich bei der Geschichte über die Marquise de Merteuil und den Vicomte de Valmont um einen Briefroman des 18. Jahrhunderts, der eine dekadente Adelswelt am Vorabend der französischen Revolution beschreibt.

In seiner Neuinszenierung ist der Regisseur Stephan Kimmig bemüht, zwei Adaptionen des Stoffes miteinander zu verweben: Die von Heiner Müller in einen überzeitlichen Raum entrückte Handlung, in der Facetten von Sexualität beleuchtet werden, und Christopher Hamptons Geschichte von der Macht der Liebe, die auch die Auswirkungen der Hemmungslosigkeit der Hauptfiguren auf ihre Umgebung zeigt. Kimmig gelingt es nicht, die beiden Vorlagen einem schlüssigen Ganzen zu führen.

Die Inszenierung pendelt zwischen unterkühlter Distanziertheit und voyeuristischer Nähe. Die Bühne (Katja Haß) ist minimalistisch: ein Podest und zwei wie Beton anmutende Seitenwände. Ohne Requisiten und farbliche Akzente harmoniert die Kargheit mit dem Innenraum der Gebläsehalle Duisburg. Vor diesem kalten und viel zu großen Raum präsentieren sich die inneren Abgründe der Protagonisten. Während die Marquise (Maren Eggert) im Anfangsmonolog ihre innersten Sehnsüchte offenbart, steht sie wie eine Salzsäule auf der Bühne – eine völlig unterkühlte Darstellung größter Erhitzung.

Solche Gegensätze ziehen sich durch das gesamte Stück: hier – spärliche Gestik, oft wenden die Akteure dem Publikum den Rücken zu, halten Dialoge mit dem Gesicht zur Wand anstatt zum Gesprächspartner, da –detailliertes Zuschaustellen von Gewalt und Erniedrigung. Vielleicht sind diese extremen Modi als Beitrag zum Barock – dem diesjährigen Thema der Triennale – gedacht, das Publikum lassen sie jedoch eher ratlos zurück. Die Handlung wirkt streckenweise bruchstückhaft. Es wird nicht immer deutlich, was die Figuren antreibt oder warum sie wie fühlen. Bei Kimmigs Gefährliche Liebschaften sprechen die Schauspieler ausschließlich durch Mikrofone. Keinen Schmatzer, keinen Atemzug ersparen die Lautsprecher dem Publikum. Diese aufgezwungene Nähe erzeugt bestenfalls Unbehagen, schlimmstenfalls verschließt sich das Publikum und wird dem Stück und seinen Figuren gegenüber indifferent.

Die Schauspieler bemühen sich, diesem entgegenzuwirken: Sie spielen stellenweise mit hohem Einsatz. Felix Knopp – gekleidet wie ein Pornostar (Kostüme: Barbara Drohsihn) – zeigt einen labilen Vicomte de Valmont, in den Anfangsszenen wortwörtlich mit eingeklemmten Schwanz, vermag es jedoch auch, beängstigend intensiv den Verführer/Vergewaltiger darzustellen. Hervorzuheben ist Katharina Matz, die als eine von Liebe gebeutelte Madame de Rosemonde überzeugt. Maren Eggert spielt die Marquise de Merteuil so kalt, dass es einem fast fröstelt. Doch vermag es das Ensemble mit seinen gefilterten Stimmen, den abstoßenden Geräuschen und häufigen Rückenansichten letztendlich nicht, im Publikum Empathie für die Figuren zu wecken.

Oder, wie eine Zuschauerin nachher anmerkte: „Raus aus der Hose, rein in die Hose, irgendwann war´s dann vorbei“. (sas)


Fotos: © Hans-Jörg Michel