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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
23. November 2008
(Premiere: 15. November 2008)

Deutsche Oper am Rhein Duisburg


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Beethovens grandiose Musik

Es beginnt – überraschend – mit der Leonoren-Ouvertüre Nr.1: Die Duisburger Philharmoniker interpretieren unter dem sensibel leitenden Andreas Stoehr die emotional verhalten konzipierte Beethoven-Musik subtil akzentuierend, schaffen gleich zu Beginn eine musikalisch-differenzierende Auseinandersetzung mit der leidenschaftlich stimulierten Musik Beethovens, verweist auf die unterschwellige Kraft der compassion, die sich im folgenden grandios entfaltet. Und es wird während des gesamten Abends deutlich: Es geht nicht um revolutionäre Eruptionen, es geht vielmehr um individuelle Schicksale – vermittelt durch wunderbar einfühlsame Streicher-Partien, kalkulierte Blechbläser-Einsätze, zurückhaltende Crescendi, bemerkenswert sensibel durchgeformte Tutti und eine ungemein nachhaltige Unterstützung der Solisten!

Das gesamte Ensemble vermeidet die brachialen Töne, setzt vielmehr auf einen zurückhaltend-emotionalen Duktus, mit der Akzentuierung auf bewegenden emotionalen Ausdruck: Annette Seiltgen gibt der Leonore mit hinreißender Stimm-Kultur sehr viel weibliches Gefühl, variiert ihr modulationsreiches Timbre von liebevoller Geschmeidigkeit zu kämpferischer Kraft – dabei immer beherrscht im intendierten Rollen-Bild der für sich allein einstehenden Frau im maskulin dominierten Umfeld. Netta Or ist mit ihrer durchaus aggressiv-selbstbewussten Stimme die an ihrer Lebensperspektive scheiternde Marzelline. Sami Luttinen beeindruckt als ambivalenter Mitläufer Rocco, vermag die Vorzüge seiner flexiblen Stimme in frohen Freuden, in devoter Angepasstheit, in subtilem Erfolg prägnant zu nutzen. Heikki Kilpeläinen ist ein bürokratisch-motivierter Pizarro, ungemein glaubhaft in den Zwischentönen seines kraftvollen Baritons. Steven Harrisons Florestan vermittelt ohne heldentenorale Exaltationen mit durchsetzungsfähig-variabler Stimme das Leiden des Gefangenen (und Befreiten), anrührend in der Mittellage, verzweifelt und jubelnd in den ausgewogenen Höhen. Mirko Roschkowski beherrscht die aggressiven Ausbrüche des missachteten Jaquino und dessen unbegriffene Verzweiflung mit eindrucksvoller stimmlicher Phrasierungskunst. Und Ludwig Grabmeier ist mit zurückhaltender Stimm-Kraft ein eher involvierter Fernando: er lässt die beteiligte Betroffenheit subtil hörbar werden. Der Chor der Deutschen Oper am Rhein (Leitung: Christoph Kurig) beeindruckt durch perfektes kollektives Singen – was bei den szenischen Gegebenheiten nicht selbstverständlich ist.

Stephan Braunfels – der gerühmte Architekt repräsentativer Bauten – stellt den modernsten Knast des 19. Jahrhunderts auf die Bühne: Einzelzellen, offen zur Bühne. Da wird dann nicht umgeschlossen, und der Gefangenen-Chor sitzt in den Zellen, und das Sonnenlicht wird durch eingeschaltete Neon-Leuchten ersetzt.

Amélie Niermeyers Inszenierungs-Idee ist auf die Konfrontation von Alltäglichkeit mit großen Entscheidungen fixiert, begreift das Freiheitsdrama als individuelle Aktion, belässt die Gefangenen in ihren Zellen, lässt zum Schluss-Oratorium viele, viele Frauen als kopierte Leonoren auftreten: immerhin ein Hinterfragen der üblichen Jubel-Vorstellungen, aber in der Konsequenz eher aufgesetzt, wenig innovativ, ohne radikale Provokation – eher optisch imaginativ.

Das Duisburger Publikum folgt dem Bühnen-Geschehen mit hoher Aufmerksamkeit und dankt mit herzlichem Schluss-Applaus. (frs)
 








Fotos: Eduard Straub