Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

VIPERN
(Christian Kost)
21. Januar 2005 (Uraufführung)

Deutsche Oper am Rhein (Düsseldorf)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Spiegelnde Schlangengrube

„Vipern“ ist die (Renaissance-adaptierte) Geschichte von eruptiver Sexualität, permanenter Gewalt und unmöglicher Emanzipation: gescheiterte Beziehungen, Vergewaltigung, Brutalität, existenziell gestörte Kommunikation beherrschen die Beziehungen zwischen den archetypischen Figuren – dramatisch effektvoll differenziert als „Welt da oben“ und der (Unter-)Welt der Wahnsinnigen und Verrückten. Das gibt Konstellationen permanent lastender Aggressivität mit emotional assoziierbaren Analogien zu aktuell-erlebbarer gesellschaftlicher Realität. Das Libretto von Tim Coleman präsentiert artifizielle Texte als Mixtur von Alltagssprache, historisierenden Floskeln, Behördendiktion und prätentiösen Apercus. Entsprechend Christian Josts Partitur: eine eklektizistische Melange von u.a. Schostakowitsch- oder Kolnek-Adaptionen, dabei immer Emotionen vermittelnd ohne intellektuelle Herausforderungen, mit viel Verständnis für musikalisch-kommunikative Stimulantien – lyrische Streicher, explodierende Bläser, aber auch stimmlos-fauchende Posaunen.

John Fiore treibt die Düsseldorfer Symphoniker zu konzentriertem Spiel und beweist die außerordentliche Flexibilität des Klangkörpers.

Die bemühte Inszenierung von Eike Gramss bleibt bei diesem thematisch-musikalischen Furioso mit eher konventionell posierenden Tableaus hinter der pulsierenden Dämonie des latent-Bösen zurück.

Obwohl die imaginierende schwarze Bühne von Gottfried Pilz Kommunikationsräume schafft, die mit drei beweglichen gegliederten Spiegelwänden faszinierende Assoziationen provoziert. Wenn auch Mercedes Caoyse als Symbol bourgeoiser Selbstzufriedenheit bisweilen wie ein Exempel für product placement wirkt – so konterkariert das Spiegel-Ambiente von Pilz jede Form von Affirmation: der radikal-kritische Aspekt lebt in der Schlangengrube mit ihrer unendlichen Spiegelung der reflex-begrenzten Zwangs-Konstellation.

Mit der attraktiven Morenike Fadayomi hat die Beatrice der Uraufführung eine Idealbesetzung: darstellerisch anrührend, stimmlich souverän mit schwierigen Forte und Höhen, bemerkenswerte Dramatik im sprechenden Singen – die Reinkarnation einer durch die Vipern-Gesellschaft zu (Un-)Tatengetrieben Lady Macbeth. Anke Krabbe setzt ihren hell-brillanten Sopran als sexuell sinnsuchende junge Isabella mit vollem Risiko ein, bewältigt die geforderten dynamischen Herausforderungen mit ihren Crescendi bravourös. John Wegners mordsüchtiger Diener De Flores beeindruckt durch düstere Grundierung, verleiht der nach brutalem Handeln strebenden depravierten Existenz eine permanent bedrohliche Sogwirkung. Die weiteren zwölf hochengagiert-kompetenten Mitglieder des bewundernswerten Ensembles der Oper am Rhein präsentieren Rollenporträts höchster Intensität, sind die eigentlich Verantwortlichen für den Erfolg der neuen Oper.

Das wird auch vom mehrheitlich nicht-beckmesserisch erwartungsvollen Publikum akzeptiert: anerkennender Applaus, langanhaltend, mit hörbaren Amplitüdensteigerung für Sänger, Orchester und Bühne. Man darf gespannt sein, ob dies hochattraktive Sujet mit seinen eminent anspruchsvollen musikalischen, sängerischen und szenischen Herausforderungen weitere Bühnen findet. (frs)

Karten unter (0211) 89 25 211


Fotos: © Eduard Straub