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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
3. Juni 2010
(Premiere: 29. Mai 2010)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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„Unsre Heimat ist nicht hier!“

Anno 1857, Richard Wagner und seine Ehefrau Minna beziehen das „Asyl“, jenen Fachwerkbau, der sich in direkter Nachbarschaft zu der prächtigen Villa befand, die Otto Wesendonck sich eben erst hatte errichten lassen und in der dieser mit seiner Mathilde wohnte. Dies die zeitlich-räumliche Konstellation, in der Wagner sein Tristan und Isolde schuf – und in die hinein Claus Guth seine Inszenierung auch hinein verlegt.

Kein Schiff, das Fahrt aufnimmt von Irland nach Kornwall, kein alter König Marke, der eine junge Braut erwartet, keine Burg Kareol irgendwo in der Bretagne... dieser Tristan schaut auf konkrete Personen: auf Richard Wagner, auf Mathilde Wesendonck, auf ihren geschäftstüchtigen und auf diesem Gebiet auch erfolgreichen Gatten Otto, den Wagner-Mäzen. Eine Musik, eine Oper, die an Gottfried von Straßburgs mittelalterliches Epos anknüpft – eine Musik, eine Oper, die eine Liebe mitten im 19. Jahrhundert thematisiert, eine unmögliche Liebe. Weil die gesellschaftlichen Konventionen ihr entgegen standen, ihr keine Heimat boten. Darum geht es in Guths Inszenierung, die im Dezember 2008 in Zürich herauskam.

Bühnen- und Kostümbildner Christian Schmidt entwirft das Interieur einer (Wesendonck-)Villa: mondän, großzügig, luxuriös. Ein geräumiges Schlafgemach, ein respektabler Salon, sogar ein Treibhaus mit eingetopften „Baldachinen von Smaragd“. Im Mikrokosmos dieser Villa treffen Realität, Wunsch, Fantasie, Träume, Wut, Rachegelüste, Ausdruck von Enttäuschung, Hass und Aggressivität aufeinander – Tristan und Isolde als Spiegel jener Umstände, in denen die Wagners und die Wesendoncks eine Zeit lang ihr Leben lebten. Denn beziehungsmäßig konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Deshalb spaltet sich Isolde – oder ist es Brangäne? Einerlei: die beiden sind eins – und doch nicht eins. Isolde ist jene Mathilde W., die sich außerhalb der Konvention zu bewegen wagt; Brangäne die andere Mathilde W., die vor dem Schritt zurückweicht, der ihr eigentlich die Freiheit von Züchtigkeit und Ordnung verspräche. Diesem Grundkonzept fügen sich alle anderen Figuren, deshalb ist Guths Inszenierung durch und durch stimmig.

Contenance, nach außen den Schein wahren, immer schön diszipliniert, fast schon in aristokratischer Starre verharrend: selbst Tristan und Isoldes Liebesnacht im zweiten Akt, den Brangäne durch die Verabreichung ihres Liebestranks ja heraufbeschwört, ist kontrolliert, jedenfalls bar jeden Triebs, jeder erotischen Wunscherfüllung. Auch der sterbende Tristan im dritten Akt wird die Nähe zur Geliebten nicht hautnah erfahren: die einander entgegen gestreckten Hände erreichen sich nicht. „Mild und leise“ lächelt der Tote allein in der Vorstellung Isoldes.

Musikalisch entfaltet Düsseldorfs Tristan eine Sogwirkung, die groß, aber nicht durchweg betörend ist. Axel Kober und die Düsseldorfer Symphoniker liefern gediegenen Wagner-Klang, mitunter etwas zäh und schleppend im Tempo, ohne wirklich emotional überzeugende Ausbrüche. Die gehen eher von den Sängerdarstellerinnen und –darstellern aus. Von Annette Seiltgens stimmlich kräftig ausgebauter Brangäne, die sich im 1. Akt bitter über Tristans Ungehörigkeit beklagt, im 2. Akt eine eindringliche Warnerin ist. Janice Baird ist ihre „Zwillingsschwester“ Isolde: leicht angeraut in der Tongebung, etwas schwach in der Mittellage, aber mit schönem abgedunkeltem Timbre und einer nie versiegenden Kraft. Auch Ian Storey als Tristan verfügt über genügend Kondition bis hin zum finalen Akt und seinen enormen Anforderungen. Doch stimmlich könnte man sich einen Tenor mit mehr Substanz, mit mehr Strahlkraft vorstellen. Im Orchester-Tutti geht Storey einige Male unter. Ganz anders Oleg Bryjak als Tristans Gefährte Kurwenal: ein Bariton von phänomenaler Ausstrahlung und Mächtigkeit. Er hätte in der Konstellation mit den übrigen Stimmen durchaus noch einen Gang zurückschalten können. Ganz ausgezeichnet Hans-Peter König als Otto Wesendonck alias König Marke, der sich zutiefst enttäuscht zeigt über Tristan und dies auch in seiner Anklage – man hält buchstäblich Gericht über Tristan – mit bezwingender Glaubwürdigkeit transportiert. Keinen Moment lässt er an seiner aristokratischen Haltung zweifeln – nach außen hin! Innerlich ist er ein brutal Verletzter.

Bestens besetzt auch die kleineren Partien: Dmitri Vargin als Melot, Markus Müller als Hirt, Rolf Broman als Steuermann und Corby Welch als Stimme eines jungen Seemanns.

Hans-Peter König war es, dem bei der ersten Repertoirevorstellung (zugleich „Premiere Freundeskreis“) der größte Applaus entgegen gebracht wurde. Insgesamt feierten die Düsseldorfer diese Inszenierung mit einem Haufen Bravi und rauschhaftem Beifall.

Christoph Schulte im Walde

 








 
Fotos: Hans Jörg Michel