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Fakten zur Aufführung 

Rigoletto
(Giuseppe Verdi)
16. Mai 2010
(Premiere Oper Düsseldorf am 5.3.10)

Deutsche Oper am Rhein (Düsseldorf)

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Abgesang an Puppen

Letzte Vorstellungen halten ja oft Überraschungen bereit. Da bekommt die zweite Besetzung schon mal eine „Chance“, Teile des Personals verflüchtigen sich unter der Vorstellung, ohnehin nicht mehr gebraucht zu werden. Die Düsseldorfer Oper hält es bei der letzten Aufführung des Rigoletto dieser Spielzeit umgekehrt und überrascht die Besucher mit dem ausgewiesenen Verdi-Spezialisten und regelmäßigen Gastsänger der Metropolitan Opera New York Anooshah Golesorkhi als Rigoletto.

Ein Hauch von Met also in der Düsseldorfer Oper. Die Handlung ist es allemal wert. Der Herzog von Mantua ist ein notorischer Frauenheld. Dabei schreckt er auch vor verheirateten Frauen nicht zurück, deren Ehemänner anschließend den Hohn des Hofnarren Rigoletto über sich ergehen lassen müssen. Der Graf von Monterone, dessen Tochter vom Herzog verführt wird, überzieht den Narren dafür mit einem Fluch.

Eine Gruppe von Höflingen, ebenfalls erzürnt über den Narren, entführt Gilda, die Tochter Rigolettos, in dem Glauben, es sei seine Geliebte. Rigoletto findet seine Tochter am nächsten Morgen im Palast und erfährt, dass sie sich in den Herzog verliebt hat. Er beschließt, den Auftragsmörder Sparafucile mit dem Tod des Herzogs zu beauftragen und anschließend mit seiner Tochter zu fliehen. Gilda belauscht den Plan und opfert sich statt des Geliebten. Als Rigoletto den toten Herzog entsorgen will, entdeckt er stattdessen seine sterbende Tochter. Der Fluch des Monterone hat sich erfüllt. Viel Stoff für spannende Interpretationen.

Das braucht man dem Besucher einer Rigoletto-Aufführung eigentlich nicht mehr zu sagen. Der kennt Handlung und Musik blind. Schließlich gibt es Giuseppe Verdis Oper seit 1851. So oder ähnlich muss Regisseur David Hermann wohl gedacht haben, als er sich für Minimalismus en masse für seine Inszenierung entschied. Dass Kostüme auf schwarze Anzüge oder schlichte Sackkleider reduziert werden, scheint unter Kostümbildnern wie hier Cristina Nyffeler inzwischen mehr oder minder zum guten Ton zu gehören. Über die erklärende, einordnende Funktion von Bekleidung muss sich deshalb keiner mehr Gedanken machen, das Publikum kann sich ganz auf die Charaktere konzentrieren. Wenn aber Fesseln durch ein Gummiband ersetzt werden, endet das Verstehen schon mal vorzeitig.

In Zusammenarbeit mit Bühnenbildner Alexander Polzin entwirft Hermann ein karges Bühnenbild, das immerhin verschiedene Ebenen in Anspruch nimmt, ohne sich dem Publikum wahrhaft zu erschließen. Allzu kühn wird die Bühne im zweiten Akt mit Schaufensterpuppen bevölkert, was optisch neu, aber auf Dauer eintönig und bar jeder Interpretation seitens der Zuschauerinnen und Zuschauer gerät. Ärgerlich wird es, wenn das Publikum übermäßig lange auf die eisengraue Fläche des Vorhangs blicken muss, weil es eben seine Zeit dauert, die Figuren umzustellen.

Abstraktion, Modernisierung und Interpretation sollen in der modernen Oper erlaubt sein und stellen oft auch eine tatsächliche Bereicherung dar. Wenn aber die Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass das Publikum sich mehr mit den eigenen Irritationen beschäftigt als mit den Inhalten, wird das den Protagonisten kaum gerecht. Denn auch in der letzten Vorstellung geben die Darsteller alles. Alle überragend singt und spielt Olesya Golovneva die Gilda. Von atemberaubender Klarheit in Intonation und ihren Koloraturen gibt sie nicht die Gilda, sie ist Gilda (vgl. dazu auch Backstage mit der Sängerin). Feengleich bewegt sie sich über die Bühne, immer präsent, nie aufdringlich. Im Schlussauftritt darf man sich da schon mal die Gänsehaut über den Rücken rieseln lassen. Wuchtig, dunkel, verschlagen kontrastiert Bariton Anooshah Golesorkhi als Rigoletto, hier sind die Konturen scharf und präzise gezeichnet. Günes Gürle brilliert in der Rolle des Sparafucile schmierig-schleimig, kalt und gnadenlos. Mit lädierter Stimme hält ein fabelhafter Andrej Dunaev durch, ohne wirklich eine Chance zu bekommen. Die Düsseldorfer Symphoniker spielen lautstark gegen seine Stimme an. Hier hätte man ein wenig Rücksicht des Dirigenten Wen-Pin Chien erwarten dürfen.

Das Düsseldorfer Publikum gibt sich gewohnt jovial, klatscht, ehe überhaupt irgendetwas passiert, spart nicht mit Szenenapplaus und feiert Sängerinnen und Sänger nach vollbrachter Leistung mit minutenlanger Ovation. Vor dem Ausgang eher Ratlosigkeit denn Enthusiasmus: Schaufensterpuppen taugen als zentrales Motiv offenbar nicht. Da mag manch einer aus dem Publikum sich vielleicht eher eine konzertante Aufführung wie seinerzeit in Duisburg gewünscht haben.

msz

 

Fotos: Thilo Beu