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Fakten zur Aufführung 

MADAME LA PESTE
(Gerhard Stäbler)
26.4.2002 (Uraufführung)

Deutsche Oper am Rhein
(Düsseldorf)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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BLOSS BEUNRUHIGEND

Am Abend des bestialischen Amoklaufs in Erfurt kann Stäblers "Pest"-Oper einen bloß artifiziellen Eindruck hinterlassen: zu verschlüsselt ist die "Botschaft" des Stücks, zu wenig bezogen auf aktuelle Realität. Der intellektualisierend-verrätselte Text von Matthias Kaiser nach Vorlage Bruno Jasenskis und unter Einbeziehung von Poes "Usher"-Novelle gibt keine Antworten, vermag nicht einmal ansatzweise gesellschaftlich-individuelle Bedrohungen von Relevanz zu artikulieren. Die von der Dramaturgie beschworene Beziehung zum 11. September wirkt absolut deplaciert! Was denn die "Pest" ist, bleibt unklar, dem Zuschauer überlassen. Das Stück beginnt mit der Konfrontation von Gewaltregime und individuellem Widerstand, fokussiert auf die Ballettfigur Madeline, die als "Madame La Peste" Katalysator der "Pest" ist. Es folgt eine längere Szene aus Poes dekadent-inszestuöser Usher-Familie und endet mit einem eher larmoyanten Lamento.

Gerhard Stäblers Komposition benutzt mit enormer Wucht die Mittel von Percussion und elektro-akustisch eingespielten Geräuschen, konfrontiert aggressives Hundegebell und pfeifende Rattenschreie. Das wirkt beunruhigend, geht aber nicht unter die Haut.

Die brutale Bühnenlandschaft mit Stahlkonstruktionen und schwarzen Folien sowie versetzten Spielflächen (Florian Parbs) lässt Bedrohliches assoziieren.

Vor allem die exaltiert Körper betonte Regie Elmar Fuldas lässt Bedrohungssituationen hautnah nachvollziehbar werden, allerdings eher abstrakt - und damit weit weg von persönlicher Bedrängung.

Die rätselhafte Madame La Peste (Hannele Järvinen) ist sprachlose Verführerin, doch bleibt ihre pantomimisch-stumme Rolle letztlich rätselhaft. Christopher Lincoln prägt den humanen Revolutionär P'an stimmlich virtuos, ebenso wie Anke Krabbe die Rolle der Tschen als betroffenes Opfer mit dissonantem Sprechgesang bewundernswert meistert. Der Chor agiert geradezu am Rande persönlicher Selbstentäußerung, intoniert atonale Klänge in Konkurrenz zu eher melodischen Lautsprechergeräuschen mit hoher Musikalität. Das Ensemble identifiziert sich rückhaltlos mit Solo-Interpretationen und Tableaus: allein, der letztendliche "Kick" bleibt aus.

Eher intellektuell-analytisch sitzt das hochgespannte Publikum, vermag außer optisch-bezwingenden Effekten und musikalischer Radikalität keine Faszination zu entdecken. Und in der Tat: Wenn Stäbler/Kaisers "Pest" auf die Rolle der Frau als Hure oder Heilige im Aufeinanderprallen von statisch-autokratischer Gesellschaft und explodierendem revolutionärem Individuum beschränkt, dann ist der Aufwand schmählich vertan. Vertan, weil offenbar aus dünkelhaftem Intellektualismus die Benennung der "Pest" verweigert wird. (frs)