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Fakten zur Aufführung 

NORMA
(Vincenzo Bellini)
21. Mai 2003 (Freundeskreis-Premiere)

Deutsche Oper am Rhein
(Düsseldorf)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Kultur und Leidenschaft

In Düsseldorf ist - endlich einmal - eine perfekte Opernaufführung zu erleben, mit allen Ingredienzien wie aufwühlenden Schicksalen, hinreißendem Gesang, nachdenklicher Inszenierung und magischer Bühne.

Alexandra von der Weth gelingt der endgültige Aufstieg in den Olymp des Belcanto: von statuarischer priesterlicher Würde, leidend an ihrer verlorenen Liebe, voller Schmerz über den Untergang ihres Volkes; mit einer so hingebungsvollen Stimme, dass es die Götter rühren muss: von kristalliner Klarheit in den Höhen, voller Intensität in den sonoren Tiefen - und ganz ohne kaschierende Allüren! Die Adalgisa des extraordinären Mezzos Jeanne Pilands ist eine kongeniale Partnerin: weich und schwermütig fließt ihre Stimme, korrespondiert mit den Gefühlen Normas. Gabriele Sade hat es schwer mit dem ambivalenten Pollione, trotz angekündigter Indisposition schlägt er sich tapfer, lässt ahnen, was sein Tenor leisten kann. Mit Christophoros Stamboglis ist ein durchsetzungsfähiger, flexibel-voluminöser Bass als Oroveso zu hören.

Der Chor (Gerhard Michalski) fühlt sich offensichtlich wohl im Gesamt des Geschehens, singt sehr gefühlvoll-homogen und agiert individuell-kollektiv. Die Düsseldorfer Philharmoniker unter John Fiore beginnen die Ouvertüre nervös, steigern sich zu sensiblem Bellini-Wohlklang, vermeiden die Avancen zu donnerndem Marsch und sentimentaler Süße, bleiben aber in der Rolle der stimulierenden Begleitung.

Werner Schroeters Inszenierungskonzept gelingt das Kunststück, individuelle Leidenschaften mit historisch-aktuellen Konflikten zusammenzubringen. Die Bedrohung gewachsener Kulturen durch übermächtige Zivilisationen wird deutlich, pars pro toto sind anonyme Kinder im Käfig permanent auf der Bühne; Pollione - als Vertreter der Übermacht - verbrennt nicht mir der sich opfernden Norma; die magische Welt unterliegt - doch gibt es auch hier ein Weiterleben: die Kinder verlassen ihren Käfig (fast wie das überlebende Kind in Wagners Götterdämmerung)! Die Botschaft ist klar: trotz Macht und Vernichtung lebt die Hoffnung auf Spiritualität.

Barbara Rückerts Bühne schafft mit verstreuten Rosen und leuchtenden Kerzen an Kirchentage gemahnende Stimmung, baut einrucksvolle Mauer-Elemente und platziert abstrakt-intensive Monumente: die Situation wird zum Assoziationsraum exaltierter Gefühle. Die Kostüme von Alberte Barsacq akzentuieren die kulturellen Differenzen - konfrontieren "magische" Gewänder mit variationsreichen outfits westlicher Zivilisation. Wenn intensiv zugeschaut wird: eine fatale Annäherung an den kompromisslosen Clash of Civilizations. Und genau hier liegt das intellektuelle Dilemma der Inszenierung.

Der sich selbst feiernden Düsseldorfer Szene-Szene gerät die an den sensiblen und intellektuellen Nerv gehende Tragödie zum spektakulären Event. Brutal-lautstarker Applaus lässt die Sensibilität vermissen, bejubelt die fantastischen Leistungen der Akteure wie circensische Attraktionen, verweigert die Auseinandersetzung mit der "Botschaft", ja protestiert beim Rausgehen gegen "unzumutbare Regie" - was soll man dazu sagen? (frs)


Foto: © Eduard Straub