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Fakten zur Aufführung 

Nabucco
(Giuseppe Verdi)
6. September 2010
(Premiere)

Johanneskirche Stadtkirche Düsseldorf

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Musik

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Schwarz und weiß mit Lust

Das letzte Licht des Tages fällt durch die langen, schmalen Bleiglasfenster in eine prall gefüllte Kirche. Kaum ein Sitzplatz ist mehr frei. Seit Wochen ist die Vorstellung ausverkauft. Nein, die Rede ist nicht von der Abendmesse, sondern von Oper in der Kirche. Die Johanneskirche Stadtkirche in Düsseldorf hat Verdis Nabucco auf ihren Veranstaltungskalender geschrieben und die Kirche in eine Bühne verwandelt. Es entspricht der Philosophie der größten evangelischen Kirche in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, den Kirchenraum nicht als unantastbare Reliquie, sondern als Arbeitsraum für gelebten Glauben zu betrachten.

Das Licht wechselt, ein Mensch im Frack rennt über die Rampe und stoppt kurz vor der Bühne. Rechts von der Rampe im Seitenschiff sitzen die Bochumer Symphoniker, die sich auf den Wink des Mannes mit der wilden Mähne erheben. Applaus brandet auf. Schließlich kennt man die Leistungen des Kantors, der sich just in diesem Moment in den eindrucksvollen musikalischen Leiter der Oper wandelt. Wolfgang Abendroth dirigiert von seiner zentralen Position aus zwei Chöre und ein Orchester. Gerne darf er im Mittelpunkt stehen, auch wenn er durchaus mehr als einmal die Sicht auf die Bühne nimmt. Es macht Spaß, ihm bei der Arbeit zuzuschauen. Von Anfang an souverän, führt er die Zuschauerinnen und Zuschauer – unter ihnen der Oberbürgermeister mit Gattin – durch die Handlung von Nabucco.

Die Handlung kann ja durchaus als komplex bezeichnet werden. Und man bedarf auch profunder Kenntnisse, um ihr in der Kirche folgen zu können. Aber manchmal ist es gar nicht so wichtig, alles zu verstehen. Zu viel Genuss steht auf dem Programm. Aus nächster Nähe erleben die Besucherinnen und Besucher die Solisten. Das differenzierte Mienenspiel, kleine Gesten der Mimen einmal nicht durch das Opernglas, sondern aus nächster Nähe betrachten zu können, hat einen besonderen Reiz.

Auch, wenn die Symbolik nicht immer ganz klar ist, ist es Regisseurin Nicola Glück anzurechnen, dass pointierte Einfälle ihre Wirkung nicht verfehlen. Spätestens, wenn der Gefangenenchor die Kirche verlässt und dabei von einer Kamera begleitet wird – was der Zuschauer verschwommen auf der Gardine vor dem Altar verfolgen kann – hat sich der multimediale Einsatz gelohnt, der ansonsten eher überflüssig ist. Was Thorsten Hallscheidt mit seiner Medienkunst abliefert, ist Durchschnitt, mehr sicher nicht. Ein Übertitel wäre technisch machbar gewesen, findet aber nicht statt.

Die Darstellerinnen und Darsteller reißen das raus. Wenn Ulf Paulsen als Nabucco allmählich dem Wahnsinn verfällt, geschieht das nicht monoton in a-moll, sondern in einer wunderbar differenzierenden Bassbariton-Spirale. Paulsen spielt den Nabucco nicht, er durchlebt ihn. Da kommt keiner ran, auch wenn Claudia Iten aus der Schweiz ihren Sopran bis zur Grenze ausreizt und das Publikum begeistert. Thomas Piffka bleibt als Tenor ein wenig unscheinbarer, während sich Bassbariton Ralf A. Scheider dem Nabucco als ebenbürtig erweist. In stimmlicher Güte gleichauf, bleiben Annina Papazian, Mezzosopran, und Martina Winter, Sopran, unberechtigt eher im Hintergrund. Ein dreifaches Lob gebührt dem Düsseldorfer Kammerchor und dem Chor der Johanneskantorei. Ehrenamtlich geben sie alles und das in einer Perfektion, die einem professionellen Chor in nichts nachsteht. Das allfällige Va, pensiero wird so meisterlich gesungen, nein, voller Inbrunst vorgetragen, dass es dem Hörer die Nackenhaare aufstellt.

Der gesamte Kirchenraum wird in das Erlebnis eingebunden. Da ist es nur konsequent, dass Udo Flaskamp sich zwischenzeitlich auch mal an die Orgel setzt und seinen Part mit Leichtigkeit spielt.

Das Spiel der Bochumer Symphoniker gleicht sich der einzigartigen Atmosphäre der Kirchenaufführung an. Diszipliniert bis virtuos präsentiert sich das Orchester.

Die Kostüme sind wohl eher dem Budget geschuldet. Dementsprechend taucht ein Kostümbildner im ansonsten ausgesprochen professionell gefertigten Programmheft auch nicht auf. Da ist Eigenmarke in schwarz und weiß angesagt. Nabucco in Gestapo-Mantel und schwarzer Lederhose ist schon fast stereotyp.

Das allerdings sieht man der Aufführung nach, die durch ihre Spiel- und Sangesfreude glänzt. Selbst die eingebauten Kinderszenen werden von den Kindern mit begeisterter Ernsthaftigkeit aufgeführt, und wenn die neunjährige Julia mit dem Fuß aufstampft und ihren Schmollmund zieht, ist das Publikum hingerissen. Ein ganz großes Kompliment an Sabine Störmann.

Bis hierhin eine brillante Aufführung. Was aber die Zuschauer daraus machen, ist überwältigend. „Sensationell, atemberaubend, genial“, tönt es schon in der Pause. Am Ende sind Szenenapplaus und gemessen zehnminütige standing ovations das Ergebnis des Abends. An diesen Abend werden sich wohl alle Beteiligten noch lange mit ein ganz klein wenig Glück im Herzen erinnern.

msz

Das Video zu den Proben finden Sie hier.

 

Fotos: Susanne Diesner