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Fakten zur Aufführung 

MOSES UND ARON
(Arnold Schönberg)
20. März 2009 (Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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Archaische Gottsuche

Mystischer Gottes-Atem weht über das Gelände, Moses leidet unter der Unerträglichkeit der unkommunizierbaren „Gedanken“, Aron vergeht an seiner Aufgabe, das Volk schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung - „religion building“ heißt das im coolen historisch-analytischen Jargon - zum Furor wird das in Schönbergs monumentalem Werk: Und in Düsseldorfs so traditionsreichem Opernhaus realisiert sich das „Finale furioso“, die Abschlussspielzeit der Intendanz Tobias Richters, als schier überwältigendes Epos archaischer Gottsuche. Ein Opern-Ereignis von unvergesslicher Wucht!

Christof Nel inszeniert das epochale Schönberg-Werk von 1930 (uraufgeführt 1954 bzw. 1957) im vollen Bewusstsein der historischen Entstehungszeit in Korrespondenz mit dem überwältigenden archaischen Geschehen, ohne Zuhilfenahme konkreter szenischer Parallelitäten. Es geht ihm um die Kontroverse von Idee und Vermittlung, um die Diskrepanz von unbegriffenem „Gedanken“ und das katastrophale Desaster rhetorischer Bedenkenlosigkeit; fokussiert das elementare Geschehen auf die hilflos getriebenen Reaktionen des „Volks“.

Dieses differenzierend nachdenkenswerte Konzept realisiert Christof Nel mit einem geradezu überwältigenden Einsatz von dramatisierenden personalen Konstellationen, mit imaginierenden Konfrontationen der Protagonisten – und vor allem mit einem geradezu stimulierenden permanenten Bewegungshandeln des Chors!

Roland Aeschlimann baut eine martialische Bühne in Grau, mit geschwungenen Treppen, die optisch wie eine riesige Presse wirkt.

Michael Ebbecke ist ein von der Gottesbotschaft gepeinigter Moses, unfähig die empfangenen Botschaften zu artikulieren, interpretiert Schönbergs Sprechgesang mit sonorer Intonation, realisiert das geforderte „Stammeln“ mit höchster Intensität, vermittelt die „Wortlosigkeit“ als atemraubende Kommunikations-Unfähigkeit. Wolfgang Schmidt beeindruckt als Sprachrohr der missionarischen Gedanken, bemüht sich mit seinem variantenreichen Helden-Tenor um die schier unmögliche Aufgabe, eine ethisch rücksichtslose Demagogie stimmlich umzusetzen – eine riskante Gratwanderung, die grandios gelingt. Absolut bewundernswert der phantastische Chor der Rhein-Oper: Was diesem Chor an kollektiver Artikulation von atonaler Umsetzung, Kontradiktionen zum Orchesterklang, kollektivem Sprechgesang und Zusammenfügen der einzelnen Stimmen gelingt, ist geradezu einmalig. Dazu agiert das Kollektiv in den dramatischen Szenen wie ein imaginierender Schwarm, jedes Mitglied konzentriert agierend, gemeinsam von überwältigender Darstellungskraft: Anderthalb Jahre intensiver Probe zeugen ein sensationelles Ergebnis!

Wen-Pin Chien beweist mit den offensichtlich intensiv vorbereiteten Düsseldorfer Symphonikern die stimulierende Kraft der Schönbergschen Zwölftonmusik, führt die große Besetzung mit ungewöhnlichen Instrumenten-Gruppen zu dramatischem Spiel – und demonstriert die reflexionsreiche Attraktivität einer als gemeinhin für unhörbar deklassierten Musik. Da werden alle theoretischen Überlegungen zu faszinierender Musik!

Das eingangs skeptische Düsseldorfer Publikum lässt sich von der konzentrierten Vollkommenheit von Inhalt und Form gefangen nehmen, vergisst alle Voreingenommenheit, begreift die atonal-dramatische Musik als Stimulans archetypischer Emotionalität – und versteht zu großen Teilen das erlebte Gesamtkunstwerk als „Erkenntnisform der Gesellschaft“ (Neuenfels). Ein Triumph für alle Beteiligten – Intendanz, Regie, Bühne, Musiker, Sänger, Chor, Theater-Technik und Zuschauer! (frs)

 










 
Fotos: Eduard Straub