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Fakten zur Aufführung 

PARISER LEBEN
(nach Jacques Offenbach)
17. Januar 2009 (Premiere)

Schauspielhaus Düsseldorf


Points of Honor                      

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Alles Simulation

Was im Opernhaus nun wirklich ein Sakrileg ist – im Schauspielhaus wird es zum stimulierenden Hype: die lustvolle Dekonstruktion der musikalischen Ordnung des Offenbachschen Melodien-Reigens. Wolfgang Böhmer hat eine kribbelnd-enthusiasmierte Fassung entwickelt, Klaus-Lothar Peters leitet das gute Dutzend vorzüglich eingestellter Musiker in einer streicherlosen „Band“ zu äußerst effektvollem Spiel, überrascht mit fulminanter Leichtigkeit in der Pointierung des Offenbachschen Ingeniums, vermittelt wirbelnden Esprit, transponiert die Lebenslust des 19. Jahrhunderts in die Befindlichkeiten des 21., akzentuiert winzige Themen, beeindruckt mit karikierenden Can-Can-Klischees – vermittelt Offenbach-Ekstase ohne Klamauk und aktualisiert den schier unsterblichen Geist einer elektrisierenden Musik!

Hermann Schmidt-Rahmer stellt eine verblüffende Mixtur von Operette, Musical, Drama, Comedy und Satire auf die Bühne – fokussiert das turbulente Geschehen auf eine sex-determinierte Gesellschaft, in der schließlich die Simulation für die Realität steht. Dazu: kalkulierte Situationskomik mit Slapstick-Effekten, wilder Aktionismus mit parodistischen Passagen!

Auf der fantasievoll drehenden Bühne von Thomas George bewegen sich Fassaden, Wände, Türen, karikierende Interieurs – verweisen mit ihren gezeigten Rück-Ansichten auf das Gemachte der Illusionen, präsentieren den Spielort Paris als morbides Potemkinsches Dorf.

Brillant-komödiantisch – so wie im Vaudeville der alten Zeit – das hinreißend-kompetente Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses. Markus Scheumann gibt den animierenden Raoul als diffusen Lüstling, beherrscht die Bühne mit exaltierten Bewegungen, artikuliert seine anspielungsreichen Texte mit exzellentem Verständnis für abrupte Kommunikations-Brüche. Neben den permanent identitäts-kreierenden Darstellungskünsten des Ensembles sind vor allem die Kabinettstücke in Sachen Gesang zu bejubeln: Michael Schütz intoniert á la Gilbert Becaud, Cathleen Baumann könnte eine gepriesene Chansonette sein, Katrin Röver artikuliert die Emphasen eines Musical-Stars, Anna Kubin beherrscht die Möglichkeiten des benachbarten Genres mit stimmlichen Variationsmöglichkeiten par excellence – dazu gibt Götz Schulte einen Baron mit flackerndem (Stimm-)Feuer, Winfried Küppers einen lebensweisen Stadt-Führer, dazu Matthias Fuhrmeister, Rainer Galke, Klaus Schreiber, Claudia Hübbecker, Janina Sachau und Katja Paryla: ein Ensemble mit animierender Verve!

Das Düsseldorfer Publikum im vollbesetzten Schauspielhaus benötigt einige Zeit, um sich auf das offenbar nicht erwartete distanziert-verfremdete Geschehen einzustellen, goutiert dann aber die spitzen Verweise und die krassen Verfremdungen von historischer Handlung und gängig-schäumender Offenbach-Musik: intensives Mitgehen und heftiger Schluss-Applaus sind der angemessene Dank für einen entlastenden, aber nicht trivialen Abend. Für orientierungslose Karneval-Negierer mit Bedürfnis nach theatralem Spaß am Spott die perfekte Adresse! (frs)