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Fakten zur Aufführung 

DIE FRAU OHNE SCHATTEN
(Richard Strauss)
11. Oktober 2008 (Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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Gescheiterte Suche

Eines ist von vornherein klar: Die „ewigen Werte“ sind zerstört. Johannes Leiacker stellt die Reste und Trümmer klassischer Säulen an die Bühnenränder, baut dazwischen auf der Drehbühne eine monumentale Treppe – offenbar die Verbindung zwischen realer und geistiger Welt.

Guy Joosten inszeniert auf den „nach oben“ verheißenden Stufen und der darunter verborgenen „Spelunke“ die Kontroversen, Wirklichkeiten und „Vermischungen“ der beiden Welten, erzählt eine bewegende Geschichte von Hoffnung und Elend – interpretiert weniger den abgehobenen Hofmannsthal-Text als vielmehr die rauschhaft-exzessive Strauss-Musik. Der (Be-)Deutungs-Zusammenhang ist offenbar: Es gibt kein oben und unten, die Welten „vermischen“ sich, die „Schatten“-Seiten bestimmen den Ablauf, sie überfordern Real- und Geisterwelt, lassen alle Beteiligten scheitern – es bleibt die Hoffnung auf einen neuen Anfang. Doch wird während der spannungsreich-rätselhaften Stunden mit den gebrochen-verschlüsselten Handlungen nicht klar, worum es eigentlich geht: Geht es um die „Prüfungen“ wie in der Zauberflöte? Geht es um die – gescheiterte – Suche nach wahrer Humanität? Oder geht es – nur – um das Paarungs-Problem zur Verhinderung der demographischen Katastrophe? Intellektuelles Inszenierungskonzept und konkretes Bühnenhandeln stehen in permanentem Kontrast.

Der grundlegende Widerspruch zwischen spirituellem „Überbau“ und „animalischem“ Alltagsleben findet rauschhaften Ausdruck in der geradezu narkotisierenden Strauss-Musik: Der Einbruch des Übersinnlichen in die erbärmlich-kreatürliche Existenz wird zur musikalischen Droge. John Fiore akzentuiert diese von Strauss provozierte Narkotik mit der nahezu stigmatisierenden Präsentation der Einzel-Instrumente Violine, Cello, Harfe, Flöte – und gerät mit den überbordend engagierten Düsseldorfer Symphonikern permanent an die Grenzen orchestraler Zumutbarkeit; der musikalische Rausch gerät bisweilen zur inkommensurablen Voll-Trunkenheit – ersehnt, aber nicht mehr kontrollierbar.

Gesungen wird in Düsseldorf im traumhaften Strauss-Duktus, vorbehaltlos in den stimmlichen Herausforderungen, schonungslos in der Unbedingtheit des Ausdrucks – ohne Fokussierung auf eine bestimmende „Leitfigur“. Linda Watson gibt der Färberin dramatische Kraft, wirkt auch in den scharfen Höhen authentisch; Tomasz Konieczny ist mit konsequent markanter Intonation ein widerborstiger Barak; Alfons Eberz besteht als Kaiser auf seinem voluminösen Heldentenor ohne stimmliche Irritationen; Susan Anthonys Kaiserin beeindruckt durch klang-variierende Kraft und imaginierende Intensität; Renée Morloc spielt und singt die Amme als ambivalentes Zwischenwesen, lässt differenzierte Töne hören und steht für nachhaltigen Strauss-Klang. Das gesamte Rheinoper-Ensemble besticht durch hochklassiges Singen, besonders hervorzuheben Stefan Heidemann als kolossal stimmkräftiger Geisterbote. Mitglieder des Jungen Ensembles der Rheinoper und der Opernchor präsentieren sich in bemerkenswerter Präsenz!

In Düsseldorf ist ein einigermaßen irritiertes Publikum fasziniert vom geheimnisvollen Geschehen, folgt der nachvollziehbar inszenierten Geschichte mit gespannter Aufmerksamkeit, hat Probleme mit dem abrupt-resignativen Schluss – feiert Sänger und Orchester und applaudiert dem Regie-Team mit intensiver Zustimmung. Das „Finale Furioso“ der Tobias-Richter-Intendanz nimmt nach der gefeierten Charpentier-„Louise“ seinen glanzvollen Lauf! (frs)
 






Fotos: Eduard Straub