|
LA CLEMENZA DI TAMERLANO
Händels Musik ist "in". Händels Opern
erleben mit ihrem barocken approach allenthalben ein zustimmend bis begeistert
aufgenommenes revival (s. DOR und Regensburg "Alcina") - im zeitgemäßen
Drottningholm Slottsteater von 1766 trifft die Händelsche Musikattratktion
auf die "moderne" Regiekonzeption und wird zum artifiziellen Musiktheatererlebnis
par excellence!
Mit Bejun Mehta beweist ein erstklassiger Countertenor mit hochflexibel-weichklingendem
timbre die emotional bewegenden Möglichkeiten dieser "Stimmlage" geradezu
sensationell: sein Tatarenfürst Tamerlan wechselt vom rücksichtslosen
Despoten zum versöhnenden "Friedensfürst". Dem Türkenkaiser Bajazet -
ein unerschütterlicher Autokrat, ein störrischer alter Mann, ein herrschsüchtiger
Vater - gibt Nigel Robson stimmliche und darstellerische Statur eines
Shakespeare-Helden; sein polternder Tenor hebt ihn aus dem distinguiert
agierenden und phrasierenden Ensemble effektvoll heraus. Mit Sandrine
Piau als liebende Asteria, Anna Larsson als verstörter Andronico und Kristina
Hammarstöm sind ein wunderbar weicher Sopran, ein unerhört klangreiner
Alt und variabel dramatischer Sopran zu hören: Insgesamt Händel-Gesang
auf selten zu erlebendem Niveau!
Pierre Andi inszeniert hochaktuell: verzögerte Bewegungen, zeitgleiche
Begegnungen, Ungleichzeitigkeiten mit Verweisen auf die inneren Zustände
der Personen - getragen von übertragender Spannung, sich auflösend in
Bajarets hochdramatischer Todesszene.
Dazu nutzt er die frappierenden Möglichkeiten der alten Bühnenmaschinerie
Drottningsholms äußerst sparsam, dafür im Einsatz umso eindrucksvoller.
Dazu leitet Christophe Rousset das junge Drottningsholmsteatern Orkester
mit viel Feingefühl für dynamische Nuancen und wechselnde tempi. Ein wunderbar
schwebender Klang erfüllt den intimen Theaterraum, kommentiert mit den
effektvollen Feinheiten der Händelschen Musik die Handlung, interpretiert
die Aktionen der Personen, überhöht das dramatische Geschehen durch "Fülle
des Wohlklangs".
Im Publikum im durchaus engen Auditorium verbreitet sich äußerste Konzentration
(zumal italienisch gesungen wird, es keine Übertitel gibt und die Handlung
ja nicht mehr so selbstverständlich ist, wie sie das zu Händels Zeiten
war!). Der Applaus steigert sich zu stehenden Ovationen - und Drottningsholms
Slottsteater hat den Erfolg, der den fast mythischen Ruf der Sommerfestspiele
mit Nachdruck weiterträgt. (frs)
|
|