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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
31. Januar 2009 (Premiere)

Semperoper Dresden


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Kein einziges Buh!

Da hat einer die Rolle seines Lebens gefunden. Schon während der Proben in Dresden als Einspringer an der Deutschen Oper Berlin in der Barlog'schen Tosca von 1969 (!) gefeiert, ist der Scarpia von Lucio Gallo in der Neuproduktion der Semperoper schlicht fulminant. Bereits sein erster Auftritt und Satz, mit mehr als der von Puccini gewünschten „großen Autorität“ gesungen und gespielt, verdeutlicht die Macht und das grenzenlose Selbstbewusstsein dieser Bestie, dieses abgrundtiefen Schurken in Polizeiuniform. Seine variationsreiche Stimme verfügt über die Durchschlagskraft und den Glanz eines Heldenbaritons, aber genauso gut über die weichen, lyrischen Möglichkeiten des Kavalier-Fachs. Wo er ist, ist die Bühnenmitte, das Zentrum, seine Statur und Ausstrahlung überspielen selbst die eher mäßigen inszenatorischen Vorgaben, die Mitspieler haben es naturgemäß schwer, es mit diesem faszinierenden Bösewicht aufzunehmen, ihm Paroli zu bieten. 

Chiara Taigi als Tosca ist denn auch vor allem dafür zu danken, dass sie ganz kurzfristig die Titelrolle übernahm. Von einer nicht überzeugenden Regie wie alle anderen weitgehend im Stich gelassen,  verkörperte sie ihre Partie mit Anstand, war aber auch im zentralen zweiten Akt, in der Auseinandersetzung, im Ringen mit Scarpia, trotz der tödlichen Messerstiche gegen ihn, die Unterlegene. Dem dritten Engelsburg-Akt,  nur mit den Protagonisten Cavaradossi (Aleksandr Antonenko mit schönem, wenngleich etwas gleichförmigen Tenor) und Tosca, fehlte dann trotz der blitzenden Sterne etwas die stimmliche Spannung.

Die Regie von Johannes Schaaf versuchte dann noch mit einer vom Schnürboden fallenden weißen Stoffbahn (das Leichentuch für Tosca ?)  einen Schlussgag zu setzen, aber es half nicht mehr: über eine handwerklich ordentliche, eher biedere Inszenierung kommt diese Tosca nicht hinaus. So bleibt auch unklar, was man eigentlich zeigen will. Die Bühne (Christof Cremer) im ersten Akt zeigt den grauen Innenraum einer modernen Betonkirche, dieser verwandelt sich dann in Scarpias Arbeitszimmer im zweiten Bild und wird im Schlussakt auf die beiden Seitenwände und einen schwarzen, dunklen Hintergrund reduziert. Die Möblierung ist teils ikea-stilistisch modern, aber mit Kandelabern, die Kostüme (Petra Reinhardt) sind mal historisch (Scarpia), mal eher zeitgenössisch (Tosca). Wenn dies das zeitlose am Macht- oder Polizeiterror symbolisieren sollte, so funktioniert es nicht. Dazu wäre gerade angesichts der bewusst kühl gehaltenen, auf jeglichen historischen Pomp verzichtenden Räume, eine viel präzisere und entschiedenere Personenregie nötig gewesen. So bleibt es allzu beliebig, mitunter nett und gefällig anzusehen, aber ohne innere Spannung, ohne Atmosphäre. Die Tosca im ersten Akt als unbeschwertes, naives junges Mädchen anzulegen, mag noch angehen, im zweiten Akt stößt dieser Ansatz dann aber erkennbar an seine Grenzen. Das passt nicht mehr und lässt sich auch nicht darstellen. Es bleibt vieles äußerlich, dekorativ. So wird die große Chor- und Kirchenszene im ersten Teil mit den roten, weißen und lila Messgewändern verschenkt, erscheint nur mehr als Staffage. Auch mit der Lichtregie auf der Opernbühne sind wir inzwischen etwas weiter, als uns die Semperoper mit den fast nur hell weißen Scheinwerfern zeigen will. Insgesamt eine konventionelle, praktikable Inszenierung, in der sich reisende Sänger-Stars problemlos zurechtfinden, die so gesehen nichts falsch, aber auch nichts wirklich richtig macht. Dazu passte die sächsische Staatskapelle unter dem Dirigat von Ivan Anguelov,  der mit dem Orchester ein geschmackvoller, dezenter Begleiter der Solisten war, aber nur selten eigene Akzente setzte. 

Das Publikum im vollbesetzten Haus war begeistert. Sänger, Dirigent und Regie-Team wurden mit einhelligem, von Trampeln unterstrichenem Beifall bedacht.

Der Sitznachbar des Rezensenten meinte anerkennend, wann je hätte es das in den letzten dreißig Jahren gegeben, eine Premiere in der Semperoper ohne ein einziges Buh...

Axel Göritz
 






 
Fotos: Matthias Creutziger