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Zwiespältig
Die junge, blütenweiße Erda steht mit der unberührten Erdkugel zu den
pathetischen Schlussakkorden auf der Bühne: die Hoffnung auf weibliche
Ideale bleibt. Willy Deckers Inszenierung lebt von der emotionalen Pointe,
vermag diese Vision aber fünf Stunden lang nicht einzulösen: da vergewaltigt
der klischeehaft-brutale Hagen die trunkene Party-Suse Gutrune, die wiederum
zum Schluss den ambivalent Erlebten qua Speerstoß erlegt; da mischt sich
der untote Wotan intransigent in den Tod Siegfrieds, da erscheinen die
Rheintöchter in grauem Landseroutfit und Siegfried geriert sich als unbegriffener
Zivilisationsignorant. Nur: das "Scheitern der männlichen Macht" ist eine
Behauptung im Programmheft.
Wolfgang Gussmanns Bühnenbild ist eine zeitweise magische Dekoration:
das Thema "Welttheater" mit Theaterstühlen - mit denen die Protagonisten
von Wotan bis Froh unter Qualm versinken - gewinnt keine überzeugende
Qualität, verliert sich in okkasionellen optischen highligths.
Dagegen vermag Michael Boder mit der formidablen Sächsischen Staatskapelle
das wagnersche Ingenium von beglückender Wiedererkennung der Motive, gestaffelter
Instrumentenklänge, hämmernder Tutti und sonstigen Piani in archaische
Wucht differenziert zusammenzuführen.
Die mangelnde Regie-Faszination ersetzen die Solisten mit fulminanter
Bühnenpräsenz: Alfons Eberz gibt den Siegfried zwei Akte lang ziemlich
eindimensional, stimmlich am Level, steigert sich zum Schluss zu tragischer
Größe. Hans-Joachim Ketelsen intoniert den Gunther trotz aller Indolenz
der Figur mit großer Kraft. Sabine Brohms Gutrune beeindruckt nicht nur
durch intensives Spiel, sondern auch intensiven Sopran! Birgit Remmert
ist als Waltraute total indisponiert, verpasst die Chance der großartigen
Performance - leider. Faszinierend Kurt Rydl als Hagen - darstellerisch
am Rande des Chargierens, stimmlich mit unnachahmlicher Kraft - ein Erlebnis!
Als Brünnhilde beweist Gabriele Schnaut ihre außergewöhnliche Bühnenpräsenz
und ihre schier grenzenlosen Fähigkeiten in magnifizenten Höhen und tragfähigen
Tiefen, alles ohne Forcieren und ohne Makel.
Das repräsentative Premierenpublikum folgt diszipliniert dem Geschehen,
es gibt kein Husten (!), die Begeisterung am Ende steigert sich; es gibt
nicht mal Buhs für das Regieteam. (frs) |
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