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Fakten zur Aufführung 

EURYANTHE
(Carl Maria von Weber)
25. Februar 2005 (Premiere)

Staatsoper Dresden

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Täterinnen und Opfer

Trivial, abstrus – seit der Uraufführung 1823 (zwei Jahre nach dem Freischütz) gilt Webers erste deutsche voll hochdramatische Oper (!) als unaufführbar; in Dresden zuletzt 1923! Und jetzt diese fulminante Ereignis: Wenn die romantisch biedermeierlich triviale Handlung auf die Kernpunkte archetypischer Emotionen von Krieg und Tod, Liebe und Verrat, Opfer und Täter „reduziert“ wird, zeigen sich die mythischen Qualitäten des Plots.

Gottfried Pilz baut ein offenes u-förmiges „Gehäuse“ mit Torbögen, Umgängen und Galerien, dessen klare Formen abstrakt-konkrete Spielorte schaffen – weitab sowohl von naturalistischer Pseudo-Romantik als auch von penetranter „Aktualität“: vielmehr optisch-konkrete Assoziationsräume für ambivalente Kommunikation.

Vera Nemirova entwickelt ein schlüssiges Konzept, entdeckt in der trivialen Geschichte von Helmina von Chézy die wesentliche Idee: Menschen als Opfer und Täter in der Nachfolge brutalisierender Kriege in Grenzsituationen. Sie führt die exzellenten Darsteller durch Stationen des Sinn-Vakuums und schafft ohne zwanghafte „Aktualisierungen“ Einblicke in beklemmende Zwangssituationen. Die schwarz-weißen Kostüme (Gottfried Pilz) mit aggressiven optischen Highlights vermitteln die archaisch-elementare Wucht der Gefühle.

Jun Märkl gelingt mit der kreativ-impulsiven Sächsischen Staatskapelle Dresden eine ungeheuer-dramatische Revitalisierung der Weber-Komposition. Hörbar werden sowohl die klassischen Traditionen, aber vor allem die Vorgriffe auf Inspirationen Wagners und – später – Verdis. Und dies alles geschieht mit beglückender Transparenz, versinkt nicht in pseudo-romantischer Klangfülle, gibt den Instrumentalisten Raum für brillante Soli und überzeugende Klänge der Instrumentengruppen – verbunden mit geradezu emphatischen Appellen an die Aufnahmebereitschaft des Publikums. Fantastische Neu-Entdeckung fahrlässig verkannter genialer Musik!

Im durchaus gemischten Semperoper-Publikum (die Vertreter der Brauerei-Impression sind in der extremen Minderheit) breitet sich Begeisterung aus – avonciert durch ein hochkarätig-exzeptionelles Ensemble:

Camilla Nylund mit vor allem lyrischer Intensität als Euryanthe; Evelyn Herlitzins als Eglantine mit stimmvariabler Expressivität; Olaf Bär mit sonorem Lied-Bariton; und – eine Offenbarung! – Klaus Florian Vogt mit einem Tenor, der schlanke lyrische Töne schmiegsam phrasiert, aber auch mit großer Kraft die ambivalenten Gefühle des Adolar ausdrückt; dazu ein stimmlich präsentes Ensemble und ein spielfreudig-stimmpräsenter Chor!

Alle, die dabei waren, haben das Wiederbeleben einer totgesagten grandiosen Oper erlebt! (frs)


Fotos: © Matthias Creutziger