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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
13. Dezember 2008 (Premiere)

Theater Dortmund


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Klinisch

Wohl kaum eine Oper wurde und wird mehr gespielt als Mozarts Zauberflöte. Das mag unter anderem auch an ihrem bisweilen rätselhaften Stoff liegen, der zu allerlei Deutung verleitet. Die Zauberflöte als Freimaurer-Geschichte, die Zauberflöte als Spiegelbild der französischen Revolution – nur zwei denkbare Ansätze von ganz vielen. Und irgendwie hat es sie alle schon einmal gegeben. Das weiß auch Regisseur Bruno Klimek.

Auf Dortmunds Opernbühne steht ein riesiger Kubus aus milchig-weißem Material, an allen vier Seiten von innen heraus beleuchtet. Vorn und hinten weiße Rollos, die herauf- und herunterfahren, ganz wie die Szenen es verlangen. In der Bodenmitte eine Klappe, die nach unten führt. Das ist alles. Ein klinischer, eher kalter und abweisender Raum, den Thomas Armster da entworfen hat und der allein als Spielfläche dient, mit dem Chor als gespiegeltem Publikum. Auf ihr entwickelt Klimek... ja, was entwickelt er? Beziehungen der Personen untereinander? Tamino und Pamina, die sich finden und ineinander verlieben? Papageno und Papagena, die sich auch finden und auch ineinander verlieben? Ja, so ist das ist am Ende. Das weiß man allerdings schon vor Beginn der Oper.

Sind da Insassen einer Irrenanstalt zu besichtigen, die Schikaneders Geschichte zu Mozarts Musik nachspielen und –singen? Ein Indiz dafür könnte sein, dass Tamino ganz zu Anfang sein Kostüm überreicht bekommt von jemandem, der aussieht wie Klinikpersonal. Aber wer sind dann die drei Damen aus dem Reich der Königin der Nacht, wie diese gekleidet in nachtschwarze Trauerkostüme aus der elisabethanischen Zeit. Und wer ist Sarastro in weißem Anzug, Schlips und Kragen? Was soll der Chor bedeuten, was die Gruppe von etlichen Monostatossen, die sich wie Affen aufführen?

Fragen über Fragen. Doch eine Antwort bleibt uns der Regisseur bis zum Ende schuldig – und erntet nach der Premiere Buh-Salven von einer Dauer, die man in Dortmund lange nicht erlebt hat.

Der szenischen Ärmlichkeit entspricht - und dies ist wirklich traurig, dass man es sagen muss – eine Dürftigkeit an Gesang, die man ebenfalls in Dortmund lange nicht erlebt hat. Glanzlos, ließe sich generalisierend formulieren. Das fängt bei Charles Kims Tamino an, dessen Tenor selten einmal frei klingt, stattdessen unter Druck steht und immer fest wirkt. Christina Rümann gibt die Königin, bewältigt technisch sehr ordentlich die halsbrecherischen Koloraturen ihrer beiden Arien, hat aber eine mitunter unangenehme Rauheit in ihrer Stimme. Der Sarastro verlangt eine ganz andere sängerische Statur als Vidar Gunnarsson sie am Premierenabend liefern konnte. Da war wenig Volumen, wenig Klang. Zuviel stimmliche Emphase dagegen legte Martina Schilling in die Rolle der Pamina, was stellenweise den Eindruck des Forcierens hinterließ. Allerdings, und dies ist zu berücksichtigen, war Schilling als indisponiert annonciert. Gerade unter diesem Aspekt gehört ihr „Ach, ich fühl’s“, diese große g-Moll-Arie zum Schönsten, was in dieser Aufführung zu hören war.

Julia Giebel gab die Papagena quirlig, stimmlich sicher, selbst dort, wo sie sich in einem schwarzen Leichensack robbend über die Bühne zu bewegen hatte. Brian Dore als Papageno bewies seine schauspielerischen Qualitäten, aber auch seine Defizite mit dem deutschen Idiom – was in einem Stück wie der Zauberflöte mit ihren vielen gesprochenen Dialogen fatal ist. Kommen dann noch ein, zwei Kollegen hinzu, die vergleichbare Schwächen zeigen (Gunnarsson, Kim), versteht man schlichtweg nichts mehr.

(Wie oft werden, wenn Eugen Onegin, Več Makropoulus oder Pelléas et Mélisande in Originalsprache auf dem Spielplan stehen, Stimmtrainer engagiert. Das bringt meistens eine Menge – brächte gewiss auch was, wenn’s ums vernünftige Deutsch geht.)

Nicht wirklich glücklich machte Stephan Boving in seiner gut gespielten Rolle des Monostatos. Stimmlich ist er ein Leichtgewicht, der einfach geradeaus singt. Doch da wird sich gewiss noch einiges entwickeln können. Bleiben die drei Knaben, die in der Chorakademie Dortmund für ihre Aufgaben vorbereitet wurden: herzige Buben, wie man sie immer und überall hört - und die gut und passend besetzten Nebenrollen Priester/Geharnischte (Bart Driessen, Blazej Grek). Zu guter Letzt die drei Damen, die von ihrem ersten Ton an den unschönen Eindruck erweckten, hier ginge es um den Wettbewerb, wer denn das größte Tremolo zu erzeugen in der Lage sei. Lydia Skourides, Vera Semieniuk und Ji Young Michel – drei Damen, deren Stimmen sich nun gar nicht mischen oder gar runden wollten.

Ekhart Wycik am Pult der Dortmunder Philharmoniker lieferte solide Arbeit. Im halb hoch gefahrenen Orchestergraben wurde temporeich und locker musiziert, etliche Patzer blieben nicht zu überhören.

Dortmunds Opernhaus: vollbesetzt! Das ist, weil es halt so riesengroß ist, eher selten der Fall. Das Publikum: anfangs erwartungsvoll, nach der Pause leicht unruhig. Getuschel und Gehuste noch lange nachdem das Orchester sein Spiel begann. Eine Unart, die seit langem erstaunlich oft um sich greift.

Christoph Schulte im Walde

 






Fotos: schmidt/www.bildautor.de