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Fakten zur Aufführung 

DIE WINTERREISE
(Franz Schubert)
16. März 2010

Konzerthaus Dortmund


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Sinnsuche

Christine Schäfer: Ganz in Schwarz, auf einer radikal reduzierten Bühne mit halbrunder flacher Stufung, ein schwarzer Flügel, der Pianist fast unsichtbar - ein total auf die Botschaft von Musik und Gefühl konzentriertes Ambiente.

Eric Schneider übernimmt am Flügel die nachgerade kongeniale Aufgabe der so differenzierten Schubert-Gefühligkeit in ihrer sensiblen Emotionalität: düster mahnend im verhaltenen Anschlag, auftrumpfend in vitalen Passagen, souverän in der intensiven Klanggebung der schmerzhaften Rhythmen und Melodien - dabei permanent in intensiver Kommunikation mit der Sängerin, ohne zum abhängig begleitenden musikalischen Illustrator des stimulierenden Gesangs zu werden.

Christine Schäfer interpretiert mit ihrer so wandlungsfähigen Stimme die Sinnsuche eines zutiefst melancholischen Individuums, vermittelt die verzweifelte Suche nach eigener Existenz in einer unbegriffenen Welt, überhöht diese existenziellen Gefährdungen mit schier unbegreiflicher stimmlicher Intensität. Da wird ein suchendes Lebensgefühl mit allen Hoffnungen, Enttäuschungen und Todesvisionen zu gesungener Ahnung – melancholisch im Duktus, ohne esoterische Rätsel, dafür mit permanent mutiger Artikulation des Ergründens des stetigen Wegs in andere Welten.

Dass die so hoch konzentriert kommunizierende Sängerin mit ihrer optischen Reduktion und ihrer versammelten Präsenz mit einer bewegend-modulierenden Stimme alle gängigen Anforderungen im Übermaß erfüllt: das wagt man überhaupt nicht zu thematisieren. Vermittelte Emotion und tief gehende Deutung werden durch exorbitante Gesangs-Kunst zu einem grandiosen Reflexions-Erlebnis.

Das kultivierte Dortmunder Konzerthaus-Publikum empfindet diese siebzig Minuten offensichtlich als wohltuende Insel im Meer der dreisten Frechlinge à la Westerwelle und Illner, Ackermann und Bohlen, Barth und Homburger – und wie die medienbeherrschenden Knallchargen auch heißen mögen. Umso erstaunlicher, dass viel zu viele Kampf-Asthmatiker die nichts unterdrückende Akustik des Dortmunder Konzerthauses mit der benachbarten Radon-Klutert-Höhle verwechselten; denen hilft auch kein wohlgemeinter Hinweis im Programmheft.

Die Einladung Christine Schäfers ist eine Großtat des Dortmunder Konzerthauses!

Franz R. Stuke