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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
15. Oktober 2005 (Premiere)

Theater Dortmund

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Erlösender Wahn

Immo Karamans und Fabio Poscas Violetta (Sylvia Koke) ist ein Supermodel à la Kate Moss mit der Seele eines kleinen Mädchens (dargestellt von einem namentlich nicht erwähnten, aber schaurig-großartig agierenden jungen Ensemble-Mitglied). Das vergnügungssüchtige Lasterleben erträgt sie nur unter Kraftaufwendung. Der (Regie-)Coup: Im letzten Akt lassen Karaman und Posca Violetta allein auf der Bühne. Der Arzt (Bart Drießen), die Versöhnung mit Vater und Sohn Germont – all dies erfolgt nur noch in ihrer Einbildung. Doch diese Flucht in den Wahnsinn bringt die Erlösung: Die Diva stirbt, das innere Ich aber schreitet selbstbewusst-befreit davon.

Sylvia Koke meistert diesen schauspielerischen Kraftakt bravourös, vermittelt auch stimmlich überzeugend die emotionale Zerrissenheit. Besonders eindrücklich die finale Befreiung, gleichzeitig hoffnungsfroh und schüchtern intoniert. Hochachtung! Timothy Richards’ Alfredo gibt sich kraftvoll-jugendlich, mit Vitalität vortragend. Simon Neal als Vater Germont gelingt eine eindrucksvolle Charakterstudie eines „Verlierertypen“, mit vollem Bass und hoher emotionaler Ausdruckskraft.

Das Bühnenbild Johann Jörgs unterstützt den Kontrast zwischen Pariser Partys und goldenem Ehekäfig: Die Glamour-Welt ist in tristem Schwarz gehalten, Eisenketten hängen von der Decke, man fühlt sich eher an düstere SM-Keller erinnert denn an rauschende Ballnächte. Alfredos Wohn-Loft dagegen erstrahlt in reinem Weiß, schwebt auf halber Höhe über der Bühne, wirkt durch die dadurch erfolgende Bühnenverkleinerung gleichzeitig einengend.

Der souveräne Dirk Kaftan hat die Dortmunder Philharmoniker bestens im Griff, lässt von der ersten Note an konzentriert aufspielen. Besonders im letzten Akt gelingt ein hervorragendes Zusammenspiel mit dem Bühnengeschehen, das Potenzial dramatischer Ausdruckskraft der Verdischen Musik wird überzeugend hörbar.

Das Dortmunder Premierenpublikum folgt fasziniert dem atmosphärisch dichten Geschehen auf der Bühne, erkennt und würdigt den ungewöhnlichen Regieansatz und feiert Ensemble und Regie mit donnerndem Applaus und Standing Ovations. Nur einige Konventionalisten stören die Ovationen und lassen ihrem unverständigen Unmut Luft. (jan)


Fotos: © Thomas M. Jauk