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SCHEITERN UND ERLÖSUNG
Die Tannhäuser-Premiere in Dortmund
war ein umjubelter Erfolg - zumindest für die Musik. Regieleistungen haben
es traditionell schwer in der Westfalenstadt. Star des Abends war der
Wagner-erfahrene Dirigent Hans Wallat, der bereits beim Dirigentenauftritt
als Gralsbote empfangen wurde, noch bevor er einen Takt geschlagen hat.
Sicher und souverän dirigierte er den Tannhäuser, mit Zurückhaltung und
Respekt für die Partitur. Allerdings auch ohne die Leidenschaft und das
Feuer, ohne die Brüche und die Schreie, die das Stück und die Titelfigur
benötigen, um leben zu können.
Auf der Bühne (Bühnenbild Tobias Hoheisel) sieht man einen Einheitsraum
aus weiß verputzten Wänden, darüber schwebt ein dickes Holzgitter im Bühnenhimmel.
Einziges Requisit sind schwarze Stühle aus Stahlrohr mit Holz. Schlicht,
sachlich, "akademisch", in der Seitenwand vorne rechts ein Lichtfenster
- ein utopischer Fluchtpunkt - das sich einschwärzt, wenn Tannhäuser die
Venuswelt verlässt. Überhaupt: Wäre er doch besser dort geblieben!
Jakob Peter-Messer inszeniert ein gegenwärtiges Stück, zeigt einen Außenseiter
der Gesellschaft, der es nirgendwo so richtig aushält. Der auch schwierig
ist, kein sympathischer Held, eher ein Gebrochener. Er hat den Blick für
die erschreckende Banalität es Alltags und für ihre Bilder besonders deutlich
beim Auftritt der Pilger. Doch an manchen Stellen scheint Peters-Messer
zurückzuschrecken und die Geschichte nicht zuspitzen zu wollen. Warum
geht Tannhäuser eigentlich am Anfang aus der Venuswelt fort? Die Argumente,
die er anführt, werden weder ernst genommen noch ausgeführt. Was fasziniert
ihn an Elisabeth, wenn er ihr in der ersten Begegnung nach Jahren so eigentümlich
fern bleibt? Was ist das für ein existentieller Schmerz, der ihn umtreibt,
ihn nicht mehr in dieser Kultur leben lassen kann? Und schließlich: Wie
ist das "Opfer" Elisabeths zu verstehen? Sie liegt auf einer Lichttreppe,
"an Gottes Thron", tot, ein Bild des Elends, keine Verklärung, der pure
Schrecken, vor dem auch Venus ihren Blick voll Mitleid abwenden muß. So
sind Venus und Wolfram die am sichersten herausgearbeiteten Figuren.
Die Fragen an die Inszenierung machen weniger deren Schwächen aus, als
vielmehr ihre Qualität, den Finger auf die wunden Stellen des Stückes
zu legen.
In der Titelrolle überzeugte Wolfgang Millgramm, der sicherlich noch stärker
wirken könnte, wenn er ein paar Standard-Gesten ablegen würde. Das Sängerensemble
bot in allen Partien Herausragendes, allen voran Sonja Borowski-Tudor
als Venus. Gespielt wurde die Pariser Fassung mit dem berühmten Venusberg-Ballett.
Anke Glasows Choreographie und die jungen Tänzerinnen und Tänzer hauchten
dem Beginn Leben ein, schenkten dem Stück Bewegung, Körperlichkeit und
Sinnlichkeit. (su)
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