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Fakten zur Aufführung 

KUSS DER SPINNENFRAU
(John Kander)
24. Januar 2009 (Premiere)

Theater Dortmund


Points of Honor                      

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Traumwelten - und die harte Realität

Kein Zweifel, es ist ein absolut bühnentauglicher Stoff, den Manuel Puig in seinem Roman Kuss der Spinnenfrau vorlegte: die Begegnung des südamerikanischen Revolutionärs Valentin mit dem schwulen Schaufensterdekorateur Molina im Gefängnis. Da prallen zwei Welten aufeinander. Valentin, immer sein Marx-Brevier lesend, lernt die Fantasie als heilenden Fluchtort vor der Wirklichkeit kennen; Molina geht das Licht auf, Mechanismen der Unterdrückung nicht als gottgegeben hinzunehmen. Spannung und Emotion ist also da. Und wenn dann mit John Kander sich ein erfahrener Musicalkomponist des Stoffes annimmt, sollte nichts mehr schief gehen. Schließlich hat er mit Cabaret seine Fortune im Umgang mit brisanten, historischen Stoffen schon bewiesen.

Leider ist der Kuss der Spinnenfrau jedoch ein Beispiel dafür, dass auch beste Voraussetzungen nicht unbedingt zwangsläufig zum besten Ergebnis führen müssen. So ist das Werk – mit Verlaub – schlichtweg zu lang geraten. Gerade der erste Teil, in dem es nur um die Vermittlung von Emotionen geht, ermüdet sehr. Das liegt auch daran, dass Kander zwar einige schöne musikalische Momente transportiert, die aber keine bleibenden Eindrücke hinterlassen.

Regisseur Klaus Dieter Köhler gibt sich die größte Mühe, um im dem von Wolf Wanniger gebauten Gefängnis – ein heruntergekommener Bau aus dem 19. Jahrhundert - die Handlung ins Laufen zu bringen. Da gestalten Choreograph Jürgen Heiss und Kostümbildnerin Ruth Groß farbige, bunte Szenen aus Molinas Traumwelten. Und dennoch, es gelingt ihnen höchstens punktuell einmal, die wabernde Langeweile zu vertreiben. Das schafft auch die wirklich gut aufgelegte Combo, die Dortmunder Philharmoniker unter Ralf Lange nicht.

Gilda Rebello ist Filmtraum und todbringende Spinnenfrau Aurora zugleich. Sie kann zwar einen perfekten russischen Akzent nachahmen (Traumbild „St. Petersburg in Flammen“), doch bleibt ihr deutsches Idiom stets hölzern und ungelenk. Und so ist sie mit rotem Kleid und ebensolchen Haaren zwar eine super Milva-Parodie, doch weder eine Trösterin noch eine wirklich unheimliche Todesverkörperung.

So war es an den beiden männlichen Hauptdarstellern, für die positiven Akzente im Dortmunder Opernhaus zu sorgen. Andreas Wolfram - vor drei Jahren Dortmunds umwerfender „Frank’n’furter“ in der grandiosen Rocky Horror Show - ist diesmal ein verletzlicher Valentin, dessen Härte und Brutalität wie eine Maske von ihm abfällt. Zum Mittelpunkt aber wird Hannes Brock, der dem schillernden Molina ebenso viele Facetten entlockt und auch stimmlich in der Lage ist, Furcht, Hoffnung, Zuversicht und tiefe Traurigkeit auszudrücken - eine tolle Leistung und ein sänger-darstellerisches Pfund, mit dem das Haus auch diesmal wieder wuchern kann!

Schon zur Pause dieser dreistündigen Erzählung wog so mancher im Publikum zweifelnd seinen Kopf: ob der zweite Teil mehr Tempo, mehr „Drive“ bekommen würde? Antwort: nur unwesentlich. Dennoch: Die Dortmunder nahmen die Produktion mit freundlichem Beifall auf, belohnten vor allem das Sängerensemble; die erwartete Musical-Feststimmung blieb jedoch aus.

Thomas Hilgemeier
 








Fotos: © Schmidt/www.bildautor.de