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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
2. September 2006 (Premiere)

Theater Dortmund

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Ende der Mythen

Es ist großes Welt-Theater, inszeniert von Christine Mielitz als „Wendepunkt“ im „Ring“. Kernszene: Siegfried schmiedet das Schwert – Metapher für tatkräftiges Schaffen – und Mime mischt das Gift. Fafner („Ich lieg und besitz“) wird getötet (sein Blut verleiht Siegfried Kräfte), Alberich ist holflos, Wotans Speer zersplittert, Erda zieht sich zurück: alle Mythen sind obsolet, leiten aber über in neue Zeiten – Siegfried findet Brünnhilde, aggressiv-unbefangene Innovation trifft auf erwachenden Mythos: zwei Archetypen sehen die Zukunft vor sich. Der Mielitz gelingt mit subtilen Mitteln die Zusammenschau von Mythos, Zeitgeschichte, menschlichen Gefühlen und kritischer Weltsicht – und das im Geist der Musik Wagners! Großartig, einmalig!

Arthur Fagen setzt mit den hochkonzentrierten Dortmunder Philharmonikern dies komplexe Verständnis musikalisch um: lastend-intensive Pianissimi, sensibel kalkuliertes Verständnis für instrumentale Details, differenzierte Tutti mit emotionaler Kraft – dass gegen einige Konzentrationspatzer vorkommen, beeinträchtigt in keiner Weise das überwältigende Hörerlebnis.

Stefan Myers Bühne vermittelt mit käfigartigen Gittern, mit schwenkbaren Stegen, gezielten Lichteffekten und sparsamen Schwarz-Rot-Gold-Verweisen die optisch-räumlichen Dimensionen des Mythen-Untergangs. Highlight: ein terroristisch-zerstörtes Auto. Allerdings: ein paar Drehbühnen-Effekte weniger hätten der Intensität des Erlebens nicht geschadet.

Jürgen Müller ist ein hochkarätiger Siegfried, verströmt urtümliche Kraft und beeindruckt mit einer blendenden Stimme, der allerdings der letzte heldentenorale Glanz abgeht. Milana Butaevas Brünnhilde ist stimmlich außerordentlich präsent, spielt mit anrührender Verve. Bela Perencz ist ein stoischer Wanderer mit großartig voluminösem Bass. Simon Neal verleiht dem Alberich kräftig-ambivalenten Klang; Vidar Gunnarsson agiert als schläfriger Fafner; Ji-Young Michels Erda erhält durch ausdrucksstarken Alt eine resignative Wirkung; Heike Susanne Daum zwitschert den Waldvogel mit lockend-warnenden Tönen – und Jeff Martin als Mime ist eine darstellerische und stimmliche Offenbarung.

Das Dortmunder Opernhaus weist Lücken auf; doch das präsente Publikum konzentriert sich auf die komplexe Deutung und goutiert vor allem Musik und Gesang mit hingerissener Begeisterung. Es will scheinen, als ob die Positionierung des Dortmunder Hauses eher in der Rolle als „Ruhr-Oper“ liegt denn als „Opernhaus fürs Umland“ – das Opern-Bedürfnis ist bei 5,6 Millionen Metropolen-Bewohnern eben größer als bei ein paar Hunderttausend Sauerländern. (frs)


Fotos: © Thomas M. Jauk/Stage Picture