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Fakten zur Aufführung 

CAVALLERIA RUSTICANA
(Pietro Mascagni)
I PAGLIACI
(Ruggiero Leoncavallo)
8. Februar 2008
(Premiere: 2. Februar 2008)

Theater Dortmund


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Gewalt als Ausweg

Menschen in der Sackgasse, Menschen mit nichts als ihren Emotionen, Menschen zwischen Ritual und Realität, Menschen ohne wirkliche Chance – die Gewalt ist der Ausweg. Christine Mielitz inszeniert menschliche Tragik in einer Gesellschaft ohne „soziale Absicherung“ – und argumentiert mit außerordentlichen theatralen Mitteln für die Enttäuschten und Ausgestoßenen. Zwanghafte religiöse Rituale in der Cavalleria korrespondieren mit der Außenseiter-Szene im Pagliacco; die Gesten der verzweifelt ausgegrenzten Santuzza spiegeln sich in der gebrochenen Komik der Nedda; die „Gläubigen“ des Osterfestes sind so brutal-hermetisch wie die Zuschauer der commedia dell’arte voyeuristisch-unempfindsam. Es wechseln beklemmende Massenszenen mit intensiven Einzelstudien, es gibt faszinierende Übereinstimmungen mit dem veristischen Duktus der Musik - und es gibt intensive Momente menschlicher Verzweiflung und Ausweglosigkeit.

Harald Thors Bühne wird beherrscht von einem monumentalen Podest, in der Cavalleria eine Piazza oder ein Altar, im Paglicco eine Show-Bühne für das so beziehungsreiche Spiel – unterstützt durch gezielt-emotionalisierten Einsatz von Licht, Farben und Schatten. Dorothee Schumachers Kostüme imaginieren kollektive Einheit und individuelle Abweichungen, spielen mit Tradtion und Moderne.

Der Dortmunder Chor agiert höchst spielfreudig (auch der Knabenchor der Chor-Akademie Dortmund), und beeindruckt durch dramatisch abgestimmten kollektiven Gesang (Leitung Granville Walker). Valery Suty lässt mit ihrer ausdrucksvollen Mittellage und emotionalen Höhen die Verzweiflung Santuzzas bewegend hörbar werden ; Sylvia Koke gibt der Nedda sowohl leidenschaftliche Töne der spontanen Liebe als auch gebrochene Klänge existenzieller Angst. Charles Kims Turiddu vermittelt Macho-Selbstbewußtsein – artikuliert mit seinem agilen Tenor aber auch die Gebrochenheit des Charakters ; Stefan Vinke bringt die großen Arien Canios mit großer Kraft – doch scheint die Zukunft des begnadeten Heldentenors nicht im Verismo zu liegen. Mit Simon Neal gewinnt ein Sänger nach einem eher konventionell-statischen Alfio mit dem Prolog des Tonio grandiose Statur : kraftvoll grundiert, souverän phrasierend, mit deutlicher Artikulation, mit effektvollen Höhen. Aris Agiris gibt den Liebhaber Silvio mit souveräner Stimmkraft, Tansel Akzeybek ist ein „komischer“ Beppo mit treffsicherer Nutzung der musikalischen Herausforderungen, Maria Hilmes singt Lolas Arie mit schwebender Leichtigkeit, Ji Young Michel ist eine zurückhaltende Mamma Lucia.

Ekhart Wycik leitet die Dortmunder Philharmoniker zu elementar-brausendem Verismo-Klang – enorme Dynamik, schwelgende Streicher, pointierte Instrumenten-Soli, emotionalisierende Tempo-Wechsel -- dabei in aufmerksamer Balance zur Bühne und mit einem grandiosen intermezzo sinfonico !

Das übergroße Dortmunder Haus ist längst nicht voll besetzt. Man fragt sich, weshalb der Erfolg beim Premieren-Publikum keinen größeren Zuspruch hervorruft. Das anwesende Auditorium jedenfalls ist gefesselt, fühlt sich auch thematisch angesprochen, spendet spontanen Szenen-Applaus und feiert Solisten und Orchester am Ende lebhaft und ausdauernd. (frs)

 

 




Fotos: Theater Dortmund