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Fakten zur Aufführung 

MATTHÄUSPASSION/PARSIFAL
(Joh. Seb. Bach/Richard Wagner)
9. März 2008

Konzerthaus Dortmund


Points of Honor                      

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Leid und Erlösung

Passion: Bei Bach tief religiös, bei Wagner emphatisch-impulsiv; bei Bach musikalisch vielfältig filigran, bei Wagner opulent-dramatisch. Steven Sloane bringt beide Aspekte zusammen, geht es doch beiden Großmeistern um Leid und Erlösung, um den musikalischen Ausdruck von Verrat, Hoffnung und Transzendenz.

Die Aufführung im akustisch phänomenalen Dortmunder Konzerthaus gerät zur musikalisch-philosophischen Großtat.

Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker interpretieren die scheinbar so unterschiedlichen Kompositionen mit faszinierender kongenialer Intensität, fast fünf Stunden lang in höchster Konzentration, kollektiv perfekt abgestimmt mit exzellenter Kommunikation zwischen Dirigent, den Instrumentengruppen, den Solo-Streichern und -Bläsern sowie den Sängern. Bachs oft so akademisch-unterkühlt vorgetragene Passion wird zum emotional-bewegenden Erlebnis mit akzentuierenden Soli und Ensembles, mit klarer Struktur, mit hinreißenden Wechseln von deklamatorischer Schlichtheit zu melodischen Bögen höchster Strahlkraft bis zu emotionalisierenden Tutti – entweder als Ausdruck höchsten Leids oder als triumphaler Ausdruck des Glaubens. Wagners Parsifal ist die sensationell-differenzierte Präsentation orgiastischer Musik mit den diffizilen Facetten von intensiver Rhetorik, tief empfundener Melodik, verunsichernden Brüchen und berauschenden Fortissimo-Passagen – und das alles im Dienst der Empfindungen der tragischen Figuren.

Wagners Bezug zum Bachschen Ingenium wird ergreifend hörbar, ersetzt musikhistorische Abhandlungen und Seminare; Steven Sloanes „Experiment“ wird zur Botschaft der Kontinuität klassischer Musik – und zur Manifestation musikalisch vermittelter Spiritualität.

Der bewundernswert disziplinierte Kinderchor der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund und der brillant-konsonante Sinfonische Chor vermitteln Bach-Gesang auf höchstem Niveau: Gesanglich engagiert-klangperfekt, kollektiv konzentriert-abgestimmt, intensiv-ausdrucksstark vor allem in den religiös-tiefempfundenen Chorälen.

Marcel Beekman singt den Evangelisten mit nie gehörter Gestaltungskraft: Er ist mit phänomenaler Ausdruckskraft, mit variablem Tenor in dramatisierenden Höhen und intensiver Phrasierung der überzeugende „Prediger“, der die Matthäus-Passion als ergreifend-gültige „Erzählung“ zusammenhält. Ewa Wolaks Alt strahlt immense Kraft aus, vermittelt existenzielles Mit-Leiden mit warmem Voll-Klang. Thomas Oliemans verleiht dem Petrus und Pilatus diffizilen Charakter, stimmlich sonor mit überzeugendem Ausdruck. Klaus Häger ist ein Christus-Sänger mit stupenden Interpretations-Kunst und Judith van Wanroijs Sopran korrespondiert einfühlsam mit dem Szenario von Leid, Schuld und Hoffnung.

Das „Wagner-Ensemble“ ist sensationell: Jochen Schmeckenbecher gibt als ungemein kraftvoll-voluminöser Klingsor mit enormem Engagement, differenzierter Phrasierung und intensiver Mimik und Gestik den Duktus vor. Doris Soffel ist – auch auf der Konzert-Bühne – eine authentisch verführende und bereuende Kundry, vermittelt mit ihrem ausdrucksvollem Timbre archetypische existenzielle Gefühle, wirkt aggressiv in den leuchtenden Höhen, reuig in balsamischen Tiefen, rhetorisch gewandt in einer gefühlvoll-strömenden Mittellage – dabei mit knappen Gesten eine vielschichtige Kundry. Christian Franz nimmt diese Herausforderungen souverän auf: Sein Parsifal wirkt schuldbewusst-erinnernd, beeindruckt durch staunenswerte Stimm-Disziplin mit phänomenaler Grundierung und verinnerlichter Interpretation in beeindruckenden Höhen mit enormer Kraft.

Dem Publikum im Dortmunder Konzerthaus verschlägt es den Atem: hochkonzentriertes Mit-Gehen, kollektives Gespannt-Sein, Akzeptanz der spirituellen Kraft von Musik und Gesang, Verständnis für die protestantische Substanz -- und vor allem Bewunderung für die Konzerthaus-Chöre, die Bochumer Symphoniker und die spektakulären Sänger bestimmen die euphorischen Reaktionen des Auditoriums; standing ovations, nicht enden-wollender Beifall.

Weshalb 2 (zwei) Huster, Nieser und Schneuzer partout die dichte Atmospäre unverschämterweise stören müssen, das bleibt wohl ihr unzivilisiertes Geheimnis. So wie das der Dortmunder Garagen-Verwaltung, die Konzerthaus-Besucher zu nervenden Schlangen vor den Gebührenautomaten zwingt. Es muss doch möglich sein, ein paar ignorante Bürokraten auf Trab zu bringen! (frs)