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Ohne Überraschungen
Die Erwartungen waren sicherlich groß, und mit dem Heben des ersten Vorhanges
schienen diese auch vollauf erfüllt zu werden. Ergreifend der erste Auftritt
des Chores als geschundenes Volk der Hebräer, dem es gelang, sowohl Leid
als auch Hoffnung Israels in ihren Stimmen widerspiegeln zu lassen. Granville
Walker ist es innerhalb kurzer Zeit wahrlich gelungen, den Chor- und Extrachor
am Theater Dortmund zu einer leistungs- und vor allem auch in der Gestik
ausdrucksstarken Einheit zu formen.
Im Anschluss daran konnten die ersten Auftritte der Solisten nur blass
ausfallen. Alexander Teliga gefiel als Zaccaria, der seine Partie sicher
und solide vorbrachte, dem es aber nicht gelang, auf dem Höhepunkt des
Leidens Israels das "lodernde Feuer" des standhaften Hohepriesters auch
in seiner Stimme zum Ausdruck zu bringen. Charles Kim als tragikomischer
Ismaele und Ute Döring als märtyrerhafte Fenena konnten sich selten gegen
das phasenweise zu laut agierende Orchester der Dortmunder Philharmoniker
durchsetzen. Herausragend hingegen Carter Scott als herrlich böse Abigaille
(provokant aufreizend kostümiert von Ulli Kremer). Beinah fauchende und
zischende Koloraturen in Momenten der Rage wie auch die anrührend zerrissene
Arie in der Einsamkeit ihrer Grotte (großartig durch das Bühnenbild Andreas
Wilkens' unterstützt) verstand sie es, die Tragik ihrer zwiegespaltenen
Rolle bis zum Schluss meisterhaft umzusetzen. Auch Béla Perencz' Darstellung
des Nabucco steigerte sich beständig mit der Dramatik seiner Rolle, die
zu Beginn des vierten Teils in der Einsamkeit seiner Bekehrung ihren ergreifenden
Höhepunkt fand.
So wurde alles in allem ein kurzweiliger Abend geboten, der Verdi in souverän
gewohnter Manier präsentierte. Nach überraschenden Einfällen oder Übertragungen
auf die gegenwärtig noch immer aktuelle Thematik suchte man in der Inszenierung
Heinz Lukas-Kindermanns jedoch vergeblich, was ihm vereinzelte Buh-Rufe
des ansonsten artig applaudierenden Premieren-Publikums eintrug. Einzig
das gewohnt liebevoll-informativ gestaltete Programmheft verwies durch
Bilder bewaffneter Soldaten und stürzende Stalin-Statuen darauf, dass
die Geschichte der Unterdrückung der Völker nicht mit dem letzten Vorhang
endete. (jan) |
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