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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)
27. Oktober 2002 (Premiere)

Theater Dortmund

Points of Honor                      

Musik

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HOFFNUNGEN

Im ersten Akt schneit Stolzing wie der Abgesandte mythischer Visionen in die starren Konventionen etablierter Selbstgerechtigkeit; im zweiten Akt ist Beckmesser der aggressive Agitator reaktionärer Vorstellungen; im dritten Akt schließlich rettet der Große Kommunikator Hans Sachs die überlebensfähigen Reste des Alten. Permanent beteiligt: das Volk, emphatisch, schließendlich der Zukunft zugewandt. Christine Mielitz setzt eindeutig auf die Kraft der "Idee" und deren Übereinstimmung mit demokratischem Wollen. Dazu wird deutlich, wie eindrucksvoll ein Chor agieren kann, wenn intensive Personenführung motiviert!

Arthur Fagen ist mit dem Philharmonischen Orchester Dortmund in der Ouvertüre noch auf der Suche nach einem synchronen Klang, wird aber im Verlauf des Abends sicherer und beweist mit perfekter Dynamik die Berechtigung der hörbaren Konzeption, Wagner differenziert zu interpretieren, Solisten und Instrumentengruppen Gelegenheiten zu virtuosen Darbietungen zu geben und dem Prinzip kalkulierter Steigerung zu folgen.

Mit Friedemann Kunder ist ein Hans Sachs ohne Stentor-Stimme und alles niederwalzender Bonhommie zu erleben - vielmehr ein abwägender Künstler mit praktizierter Kommunikationskompetenz. Jochen Schmeckenbechers Beckmesser ist eine selten zu erlebende Studie prononcierter Phrasierung. Wolfgang Millgramm nutzt seine stupende Italianita für die Darstellung eines Stolzing, der wie aus einer mythischen Welt katapultiert wirkt! Die Eva Elena Neberas gewinnt stimmlich erst im Quintett in Sachsens Schusterstube Kontur, bleibt allerdings dem Regiekonzept folgend emotionales Schmuckstück, das geht auch der Magdalene von Maria Hilmes so - allein Jeff Martin hat als David die Chance, seine darstellerischen und sängerischen Möglichkeiten zu zeigen (na klar: er ist ja auch die Personifizierung der Hoffnung auf eine bessere Zukunft). Die Meistersinger wirken zurückgehalten, fallen nicht durch brillante Einzelauftritte auf - das ist der Preis des Ensembletheaters und der Prädominenaz der hinreißenden Inszenierungsidee. Der Chor (Leitung Granville Walker) erfüllt seine ungewöhnlich konstitutive Rolle kollektiv agierend, individuelle Ausprägungen auslebend und schließendlich stimmlich präsent zu sein.

Bühne und Kostüme (Stefan Mayer, Caritas de Wit) sind kommunikative Hilfen für das Verstehen der Handlungsabläufe im Meta-Bereich: Höhepunkt Sachsens Stube, isoliert als enger Spielraum, herabgesenkt auf die säulenumstandene Bühne mit Galerie und distanzierendem Leuchtröhenrahmen um das Bühnenportal.

Mehrheitlich ist das Publikum enorm attrahiert, Beifallsstürme bejubeln - durchaus differenziert - Solisten, Chor, Orchester und Regieteam, doch verweigern sich viele skeptische Wagnerianer der gesellschaftskritischen Botschaft; einige sehen irritiert, wohl nicht zu Unrecht, Parallelen zum bornierten Nicht-Verhältnis zu ihrem eigenen Dortmunder Theater. Nichts Besseres kann ein Opern-Abend bewirken, als Nachdenklichkeit freizusetzen. (frs)