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HOFFNUNGEN
Im ersten Akt schneit Stolzing wie
der Abgesandte mythischer Visionen in die starren Konventionen etablierter
Selbstgerechtigkeit; im zweiten Akt ist Beckmesser der aggressive Agitator
reaktionärer Vorstellungen; im dritten Akt schließlich rettet der Große
Kommunikator Hans Sachs die überlebensfähigen Reste des Alten. Permanent
beteiligt: das Volk, emphatisch, schließendlich der Zukunft zugewandt.
Christine Mielitz setzt eindeutig auf die Kraft der "Idee" und deren Übereinstimmung
mit demokratischem Wollen. Dazu wird deutlich, wie eindrucksvoll ein Chor
agieren kann, wenn intensive Personenführung motiviert!
Arthur Fagen ist mit dem Philharmonischen Orchester Dortmund in der Ouvertüre
noch auf der Suche nach einem synchronen Klang, wird aber im Verlauf des
Abends sicherer und beweist mit perfekter Dynamik die Berechtigung der
hörbaren Konzeption, Wagner differenziert zu interpretieren, Solisten
und Instrumentengruppen Gelegenheiten zu virtuosen Darbietungen zu geben
und dem Prinzip kalkulierter Steigerung zu folgen.
Mit Friedemann Kunder ist ein Hans Sachs ohne Stentor-Stimme und alles
niederwalzender Bonhommie zu erleben - vielmehr ein abwägender Künstler
mit praktizierter Kommunikationskompetenz. Jochen Schmeckenbechers Beckmesser
ist eine selten zu erlebende Studie prononcierter Phrasierung. Wolfgang
Millgramm nutzt seine stupende Italianita für die Darstellung eines Stolzing,
der wie aus einer mythischen Welt katapultiert wirkt! Die Eva Elena Neberas
gewinnt stimmlich erst im Quintett in Sachsens Schusterstube Kontur, bleibt
allerdings dem Regiekonzept folgend emotionales Schmuckstück, das geht
auch der Magdalene von Maria Hilmes so - allein Jeff Martin hat als David
die Chance, seine darstellerischen und sängerischen Möglichkeiten zu zeigen
(na klar: er ist ja auch die Personifizierung der Hoffnung auf eine bessere
Zukunft). Die Meistersinger wirken zurückgehalten, fallen nicht durch
brillante Einzelauftritte auf - das ist der Preis des Ensembletheaters
und der Prädominenaz der hinreißenden Inszenierungsidee. Der Chor (Leitung
Granville Walker) erfüllt seine ungewöhnlich konstitutive Rolle kollektiv
agierend, individuelle Ausprägungen auslebend und schließendlich stimmlich
präsent zu sein.
Bühne und Kostüme (Stefan Mayer, Caritas de Wit) sind kommunikative Hilfen
für das Verstehen der Handlungsabläufe im Meta-Bereich: Höhepunkt Sachsens
Stube, isoliert als enger Spielraum, herabgesenkt auf die säulenumstandene
Bühne mit Galerie und distanzierendem Leuchtröhenrahmen um das Bühnenportal.
Mehrheitlich ist das Publikum enorm attrahiert, Beifallsstürme bejubeln
- durchaus differenziert - Solisten, Chor, Orchester und Regieteam, doch
verweigern sich viele skeptische Wagnerianer der gesellschaftskritischen
Botschaft; einige sehen irritiert, wohl nicht zu Unrecht, Parallelen zum
bornierten Nicht-Verhältnis zu ihrem eigenen Dortmunder Theater. Nichts
Besseres kann ein Opern-Abend bewirken, als Nachdenklichkeit freizusetzen.
(frs)
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